† Schutzwirkungen eines Gutachtenauftrags zur Grundstückswertermittlung – BGH, Urteil vom 20. 4. 2004 – X ZR 250/02 (OLG Brandenburg)
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BGB §§ 328, 826

1. Bei der Prüfung der Frage, ob Dritte in den Schutzbereich eines Vertrags, der die Wertermittlung eines Grundstücks zum Gegenstand hat, einbezogen sind, gehören zum wesentlichen Auslegungsstoff die in dem Gutachten enthaltenen Angaben über dessen Zweck und der sonstige Inhalt des Gutachtens, aber auch die eigenen Angaben des Gutachters zu Inhalt und Umständen der Auftragserteilung.

2. Als Dritte, die in den Schutzbereich eines Gutachtenauftrags zur Wertermittlung eines Grundstücks einbezogen sind, kommt auch eine namentlich nicht bekannte Vielzahl privater Kreditgeber oder Kapitalanleger in Betracht, wenn der Gutachter nach dem Inhalt des ihm erteilten Gutachtenauftrags wusste oder damit rechnen musste, dass der Auftraggeber das Gutachten zur Erlangung von durch ein Grundpfandrecht an dem Grundstück gesicherten, in der Höhe begrenzten Krediten verwenden werde.




BGH: † Schutzwirkungen eines Gutachtenauftrags zur Grundstückswertermittlung(NJW 2004, 3035)

Zum Sachverhalt:

Der Kl. nimmt den Bekl., der sich als Sachverständiger mit der Bewertung von Grundstücken befasst, auf Schadensersatz wegen der unrichtigen Wertangabe für ein Grundstück in Anspruch. Der Bekl. erstellte im Auftrag der E-GmbH ein Gutachten vom 2. 4. 1994, in dem er den Verkehrswert eines im Eigentum der N-e.G. stehenden Grundstücks mit gerundet 11,7 Mio. DM bewertete. Davon entfielen seiner Bewertung zufolge rund 8,17 Mio. DM auf das circa 27500 m2 große Grundstück und 3,56 Mio. DM auf die auf dem Grundstück errichteten Gebäude. In dem Gutachten ist unter „Allgemeine Angaben” vermerkt: „Zweck: Das Wertgutachten wird für Planungs- und Finanzierungszwecke benötigt.” Ferner wird im Gutachten darauf hingewiesen, dass das Gutachten nur für den Auftraggeber und für den angegebenen Zweck bestimmt sei. Unter Nr. 5.1 des Gutachtens ist ausgeführt, der Bodenwert sei anhand des mutmaßlichen Ertragswerts ermittelt worden. Eine Wertbestimmung anhand von Vergleichswerten sei nicht möglich gewesen, weil die hierfür erforderlichen fünf direkt vergleichbaren Grundstücke nicht existierten.

Nach der Erstellung des Gutachtens wurde zu Gunsten der E an zweiter Rangstelle eine Grundschuld über 10 Mio. DM eingetragen. In der Folgezeit vertrieb die E in Form von Obligationsscheinen eine Anleihe im Gesamtnennbetrag von 10 Mio. DM mit der Bezeichnung E-Wert. In ihrem Emissionsprospekt warb die E damit, die Anleihe sei durch bei einem Notar zu hinterlegende Grundpfandrechte gesichert. Die von den Zeichnern der Anleihe auf ein Treuhandkonto zu überweisenden Beträge sollten vom Treuhänder nach der Bestätigung eines „Gremiums”, dass die hinterlegten Sicherheiten werthaltig seien, wie folgt an die E ausgezahlt werden: 10% zur mündelsicheren Anlage, 10% für Verwaltungs- und Vertriebskosten und 80% auf ein E-Konto zur Investition in Grundstücks- und Bauprojekte im Europäischen Wirtschaftsraum. Der Kl. erwarb Obligationsscheine mit einem Nennwert von insgesamt 30000 DM. Da die E keine Bankerlaubnis hatte, untersagte das Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen den Verkauf der Anleihen. Die E verpflichtete sich deshalb dem Kl. gegenüber, das eingezahlte Kapital nebst vereinbarter 9% Zinsen zurückzuzahlen. Am vereinbarten Fälligkeitstag erhielt der Kl. einen Betrag von 3257,62 DM vom Treuhänder. Weitere Zahlungen erfolgten zunächst nicht. Im Januar 1996 stellte die E einen Vergleichsantrag, der unter gleichzeitiger Eröffnung des Anschlusskonkursverfahrens abgelehnt wurde. Auch über das Vermögen der Grundstückseigentümerin wurde das Konkursverfahren eröffnet.

Ursprünglich hatte der Kl. beantragt, den Bekl. zur Zahlung von 29100 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Nachdem der Kl. am 5. 1. 2000 vom Treuhänder auf die Hauptsache der Klageforderung weitere 7000 DM erhalten hatte, haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Klage hatte in den Instanzen keinen Erfolg; die Revision hingegen war erfolgreich und führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.


Aus den Gründen:

II.
1. Entgegen der Auffassung des BerGer. kann eine Haftung des Bekl. gegenüber dem Kl. auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht mit der Begründung verneint werden, der Kl. sei nicht in die Schutzwirkungen des Gutachtenauftrags der E an den Bekl. einbezogen.

a) Das BerGer. ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats und von der Revision unbeanstandet davon ausgegangen, dass ein Gutachter, der in von ihm zu verantwortender Weise ein fehlerhaftes Wertgutachten erstattet, nach § 635 BGB oder wegen positiver Vertragsverletzung zu Schadensersatz wegen Nichterfüllung verpflichtet ist. Anspruchsberechtigt sind der Besteller des Gutachtens, wenn und soweit er geschädigt ist, und jeder in den Schutzbereich des Gutachtens einbezogene Dritte (Senat, NJW 2001, 514 [515] = NZM 2001, 253). Diese Rechtsprechung beruht auf einer maßgeblich durch das Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB) geprägten ergänzenden Vertragsauslegung (§ 157 BGB). Ihr liegt zu Grunde, dass der Vertragsschuldner die Leistung nach dem Vertrag so zu erbringen hat, dass bestimmbare Dritte nicht geschädigt werden. Das hat zur Folge, dass einem einbezogenen Dritten im Falle der Schädigung ein eigener Ersatzanspruch als sekundärer vertraglicher Leistungsanspruch gegen den Schuldner zusteht.

Ob ein rechtsgeschäftlicher Wille zur Einbeziehung besteht, hat der Tatrichter nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen zu ermitteln. Der BGH hat einen solchen Willen bisher dann angenommen, wenn eine Person, die über besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügt, auftragsgemäß ein Gutachten oder Testat abgibt, das erkennbar zum Gebrauch gegenüber Dritten bestimmt ist und deshalb in der Regel nach dem Willen des Bestellers mit einer entsprechenden Beweiskraft ausgestattet sein soll (BGH, NJW-RR 1989, 696; NJW 1989, 1029 = DB 1989, 101 [102]; NJW 1987, 1758 [1759]; NJW-RR 1986, 1307; NJW-RR 1986, 484 = JZ 1985, 951 [952]; ebenso Müssig, NJW 1989, 1697 [1698ff.]; Lang, WM 1988, 1001 [1004ff.]; abl. Ebke/Scheel, WM 1991, 389 [392]; Schmitz, DB 1989, 1909). Auf diese Weise haften Personen, die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügen und in dieser Eigenschaft gutachterliche Stellungnahmen abgeben, nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter gegenüber Personen, denen gegenüber der Auftraggeber von dem Gutachten bestimmungsgemäß Gebrauch macht (Senat, BGHZ 145, 187 [197] = NJW 2001, 360; BGHZ 127, 378 [380f.] = NJW 1995, 392). Dabei ist entscheidend, ob der Sachverständige nach dem Inhalt des Auftrags damit rechnen musste, sein Gutachten werde gegenüber Dritten verwendet und von diesen zur Grundlage einer Entscheidung über Vermögensdispositionen gemacht (BGH, NJW-RR 1986, 484 = WM 1985, 450 [452]).

Darüber hinaus ist anerkannt, dass auch solche Sachverständige, die ohne staatliche Anerkennung gutachterlich tätig werden, nach den für Verträge mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter aufgestellten Grundsätzen jedenfalls dann nicht nur gegenüber ihrem Vertragspartner haften, sondern auch Dritten für die Richtigkeit ihres Gutachtens einstehen müssen, wenn der Auftrag zur Erstattung des Gutachtens nach dem zu Grunde zu legenden Vertragswillen der Parteien den Schutz Dritter umfasst (Senat, NJW 2001, 514 [516] = NZM 2001, 253; Staudinger/Jagmann, BGB, Neubearb. 2001, § 328 Rdnr. 139). Ein Gutachten, das Dritten als Grundlage für Vermögensdispositionen insbesondere im Verhältnis zu dem Auftraggeber des Gutachtens vorgelegt wird und dienen soll, erfasst grundsätzlich auch den Schutz dieser Dritten; ein entgegenstehender Wille der Vertragsparteien mit dem Ziel einer Täuschung des Dritten ist treuwidrig und daher unbeachtlich. Auch davon ist das BerGer. zutreffend ausgegangen.

b) Soweit das BerGer. die Auffassung vertreten hat, der Kl. sei in den Schutzbereich des Vertrags über die Erstellung des Gutachtens nicht einbezogen, tragen, wie die Revision zu Recht geltend macht, seine bisherigen Feststellungen diesen Schluss nicht. Das BerGer. hat in diesem Zusammenhang wesentlichen Auslegungsstoff unberücksichtigt gelassen.

aa) Ob ein bestimmter Dritter im Einzelfall in den Schutzbereich eines Vertrags einbezogen ist, ist zunächst eine Frage der Auslegung und insoweit vom Tatrichter zu entscheiden (BGH, NJW 1984, 355 [356]). Das RevGer. prüft insoweit nur, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen wurde (st. Rspr.; BGH, NJW 2000, 2099 m.w. Nachw.). Bei der Frage, ob Dritte in den Schutzbereich eines Vertrags, der die Wertermittlung eines Grundstücks zum Gegenstand hat, einbezogen sind, gehören zum wesentlichen Auslegungsstoff die in dem Gutachten enthaltenen Angaben über dessen Zweck und der sonstige Inhalt des Gutachtens, aber auch die eigenen Angaben des Gutachters zu Inhalt und Umständen der Auftragserteilung. Bei der Würdigung dieser Umstände kann dem Umstand Bedeutung zukommen, dass der Inhalt des Gutachtens in einem Widerspruch zu dem Vorbringen des Gutachters steht.

bb) Die Revision rügt zu Recht, das BerGer. habe der Angabe in dem Gutachten des Bekl., dieses sei „zu Planungs- und Finanzierungszwecken” erstellt worden, keine hinreichende Beachtung geschenkt. Denn die Angabe kann einen Hinweis enthalten, wie der Gutachter den ihm erteilten Auftrag verstanden hat und ob und gegebenenfalls in welchem Umfang er bei der Erstattung des Gutachtens damit gerechnet hat, das Gutachten werde Dritten vorgelegt und von diesen einer Entscheidung über Vermögensdispositionen zu Grunde gelegt.

Allerdings kann entgegen der Auffassung der Revision aus der Zweckangabe im Gutachten des Bekl. allein nicht bereits darauf geschlossen werden, dass das Gutachten dazu bestimmt sein sollte, Dritten vorgelegt zu werden. Denn die Angabe, das Gutachten sei für „Planungs- und Finanzierungszwecke” bestimmt, ist als solche nicht eindeutig. Sie lässt einerseits den Schluss zu, das Gutachten sei nach dem Inhalt des Gutachtenauftrags lediglich zur Vorbereitung einer betriebsinternen Prüfung und Entscheidung des Auftraggebers beispielsweise über den Ankauf des Grundstücks oder die Möglichkeit der Finanzierung des Ankaufs und damit für interne Zwecke bestimmt. Andererseits kann die Formulierung auch in dem Sinne verstanden werden, dass das Gutachten dazu dienen sollte, vom Auftraggeber im Zusammenhang mit einem Finanzierungsgeschäft, bei dem das Grundstück als Sicherheit dienen sollte, potenziellen Kreditgebern vorgelegt zu werden, um diese von der Werthaltigkeit des zu beleihenden Grundstücks zu überzeugen. Welches Verständnis der Angabe, das Gutachten sei zu „Planungs- und Finanzierungszwecken” bestimmt, beizumessen ist, kann daher nur unter Heranziehung der sonstigen bei Auftragsvergabe vorliegenden oder sich aus dem Gutachten selbst ergebenden Umstände ermittelt werden.

cc) Das BerGer. hat in diesem Zusammenhang insbesondere den Inhalt des vom Bekl. erstatteten Gutachtens nicht hinreichend berücksichtigt. Das Gutachten gibt den Grundstückswert nicht unter Berücksichtigung der geplanten, sondern der zur Zeit der Begutachtung vorhandenen Bebauung wieder. Kosten für den bei einer Neubebauung erforderlichen Abriss der bestehenden Gebäude werden nicht in Ansatz gebracht; stattdessen gehen diese mit einem Wert von circa 3,5 Mio. DM in den gutachterlich ermittelten Gesamtwert ein. Weiter enthält das Gutachten keine Angaben zu Art und Umfang der geplanten Bebauung. Unter „Bemerkungen” ist zudem in dem Gutachten ausgeführt, dass das Ertragswertverfahren gewählt wurde, weil die für das Vergleichswertverfahren benötigten fünf Vergleichsgrundstücke nicht existierten.

Indem das Gutachten das Grundstück zur Zeit der Begutachtung bewertet, entspricht es typischerweise einem Wertgutachten, wie es Verhandlungen mit Kreditgebern über die Finanzierung des Ankaufs eines Grundstücks zu Grunde gelegt wird. Damit spricht unter Berücksichtigung des Umstands, dass das Gutachten nach seiner Zweckangabe nicht nur Planungs-, sondern auch Finanzierungszwecken dienen sollte, vieles dafür, dass der Bekl. nicht nur ausweislich der Zweckangabe in seinem Gutachten, sondern auch ausweislich dessen Inhalts mit einer Verwendung des Gutachtens bei Verhandlungen über ein Kreditgeschäft gerechnet hat oder hat rechnen müssen, bei dem der Grundstückswert als Sicherheit dienen sollte.

Zwar ist der Gutachtenauftrag nach dem Vortrag des Bekl. ihm gegenüber damit begründet worden, die E stehe mit der Grundstückseigentümerin wegen des Erwerbs des Grundstücks in Verhandlungen und plane – im Falle des Kaufs – die gesamte Fläche mit Wohn- und Geschäftshäusern zu bebauen; dafür benötige sie Aufschluss darüber, welche Erträge das Grundstück nach Umsetzung dieser Pläne erbringen könne. Zu der Zweckangabe in dem Gutachten sei es gekommen, weil der erhöhte Grundstückswert nach der Nutzungsänderung vorausschauend habe ermittelt werden sollen; das Gutachten habe eine planerische Grundlage für die Nutzungsänderung und das weitere Vorgehen der E sein sollen. Diesen Sachvortrag hat das BerGer. seiner Entscheidung im Wesentlichen zu Grunde gelegt. Dabei hat es jedoch nicht berücksichtigt, dass der Inhalt des vom Bekl. erstellten Gutachtens – wie dargelegt – in Widerspruch zu seinem prozessualen Vorbringen steht.

Die Ausführungen des BerGer. lassen nicht erkennen, ob und gegebenenfalls mit welchen Erwägungen es die genannten Umstände bei der Feststellung des Inhalts des von der E erteilten Gutachtenauftrags berücksichtigt hat. Die Einbeziehung des Kl. in den Schutzbereich des Gutachtenauftrags kann auf der Grundlage, von der für das Revisionsverfahren auszugehen ist, daher nicht mit der vom BerGer. gegebenen Begründung verneint werden.

c) Das angefochtene Urteil ist auch nicht deswegen im Ergebnis richtig, weil es durch die Einbeziehung des Kl. in den Schutzbereich des Gutachtenauftrags zu einer für einen Gutachter nicht zumutbaren Ausweitung der Haftung gegenüber Dritten kommen würde.

aa) Das BerGer. ist im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass nach der Rechtsprechung des BGH der Kreis der von den Schutzpflichten eines Gutachtenauftrags erfassten Personen nicht uferlos ausgeweitet werden darf (Senat, NJW 1998, 1059 [1062]; BGH, NJW 1987, 1758 [1760]). Ausgangspunkt der Rechtsprechung des BGH zum Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte sind Fallgestaltungen, in denen einem Vertragspartner gegenüber Dritten eine gesteigerte Fürsorgepflicht obliegt, ihm gleichsam deren „Wohl und Wehe” anvertraut ist. Schon das RG hat in solchen Fällen zum Beispiel Familienangehörigen und Hausangestellten des Mieters, die durch ein Verschulden eines vom Vermieter mit einer Reparatur am Haus beauftragten Handwerkers Schaden erlitten haben, im Rahmen dieses Werkvertrags einen eigenen vertraglichen Schadensersatzanspruch zuerkannt (RGZ 91, 21 [24]; RGZ 102, 231; RGZ 127, 218 [222]; RGZ 160, 153 [155]).

Diese Rechtsprechung hat Dritte in den Schutzbereich des Vertrags zunächst nur dann einbezogen, wenn sich die vertraglichen Schutzpflichten des Schuldners nach Inhalt und Zweck des Vertrags nicht nur auf den Vertragspartner beschränkten, sondern – für den Schuldner erkennbar – solche Dritte einschlossen, denen der Gläubiger seinerseits Schutz und Fürsorge schuldet. Dies ist insbesondere dann angenommen worden, wenn zwischen dem Gläubiger und dem Dritten eine Rechtsbeziehung mit privatrechtlichem Einschlag, das heißt etwa ein familienrechtliches, arbeitsrechtliches oder mietvertragsrechtliches Verhältnis, bestand (BGHZ 5, 378 [384] = NJW 1952, 1050; BGHZ 51, 91 [96] = NJW 1969, 269). In Weiterentwicklung dieser Rechtsprechung sind in die Schutzwirkungen eines Vertrags im Wege ergänzender Vertragsauslegung auch Dritte einbezogen worden, wenn der Gläubiger an deren Schutz ein besonderes Interesse hat, wenn Inhalt und Zweck des Vertrags erkennen lassen, dass diesem Interesse Rechnung getragen werden sollte, und wenn die Parteien den Willen hatten, zu Gunsten dieser Dritten eine Schutzpflicht zu begründen (BGHZ 138, 257 [261] = NJW 1998, 1948). Allerdings beschränkt sich der Kreis der Einbezogenen in diesem Fall auf solche Dritte, in deren Interesse die Leistung des Schuldners nach der ausdrücklichen oder stillschweigenden (vgl. dazu Senat, NJW 2001, 514 = NZM 2001, 253 = VersR 2001, 1388) Vereinbarung der Parteien zumindest auch erbracht werden soll (BGHZ 138, 257 [262] = NJW 1998, 1948).

Tragender Gesichtspunkt für die Beschränkung des Kreises der einbezogenen Dritten ist in allen diesen Fällen das Anliegen, das Haftungsrisiko für den Schuldner kalkulierbar zu halten. Der Schuldner soll die Möglichkeit haben, sein Risiko bei Vertragsschluss zu kalkulieren und gegebenenfalls zu versichern (BGHZ 51, 91 [96] = NJW 1969, 269; BGHZ 138, 257 [262] = NJW 1998, 1948). Er soll für Schäden Dritter nicht einstehen müssen, wenn ihm nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung des Vertragszwecks nicht zugemutet werden kann, sich ohne zusätzliche Vergütung auf das Risiko einer erweiterten Haftung einzulassen (BGHZ 51, 91 [96] = NJW 1969, 269; vgl. auch Staudinger/Jagmann, § 328 Rdnr. 105; Soergel/Hadding, BGB, 12. Aufl., Anh. § 328 Rdnr. 17; Gottwald, in: MünchKomm, 4. Aufl., § 328 Rdnr. 109). Einer solchen Beschränkung des Kreises der in den Vertrag einbezogenen Dritten bedarf es dagegen nicht, wenn durch ihre Einbeziehung eine Ausweitung des Haftungsrisikos nicht eintritt (vgl. Senat, NJW 1998, 1059 [1062] = NZM 1998, 243; BGH, NJW 1984, 355 [356]; krit. dazu Grunewald, AcP 187 [1987], 185, [192]).

Eine Ausweitung des Haftungsrisikos tritt nach der Rechtsprechung des BGH nicht ein, wenn das Gutachten vereinbarungsgemäß Finanzierungszwecken dient und für den Gutachter damit erkennbar ist, dass es zu diesem Zweck auch Dritten vorgelegt wird. Kommen in diesen Fällen mehrere Darlehensgeber in Betracht, ist der Kreis der in den Schutzbereich einbezogenen Dritten nach der Rechtsprechung des BGH deshalb nicht auf einen Darlehensgeber beschränkt, und es besteht kein rechtliches Hindernis, alle Darlehensgeber in den Schutzbereich des Gutachtenauftrags einzubeziehen (vgl. BGH, NJW-RR 1993, 944). Ebenso verhält es sich bei komplexeren Darlehens- oder Finanzierungsvorgängen, bei denen im Rahmen einer einheitlichen Finanzierungsmaßnahme ein Teil des Darlehens nur gegen weitere Sicherheiten gewährt wird (Senat, NJW 1998, 1059 [1062] = NZM 1998, 243 – zur Frage, ob neben einer kreditgebenden Bank auch ein Bürge in den Schutzbereich eines Gutachtervertrags einbezogen werden kann).

Darauf, ob dem Schuldner die Person, die in den Schutzbereich einbezogen werden soll, bekannt ist, kommt es nicht an (Senat, NJW 1998, 1059 = NZM 1998, 243). Als Dritte, die in den Schutzbereich eines Gutachtenauftrags zur Wertermittlung eines Grundstücks einbezogen sind, kommen von daher nicht nur ein oder mehrere Kreditinstitute, sondern auch eine namentlich nicht bekannte Vielzahl privater Kreditgeber in Betracht, wenn der Gutachter nach dem Inhalt des ihm erteilten Gutachtenauftrags wusste oder damit rechnen musste, dass der Auftraggeber das Gutachten zur Erlangung von Krediten verwenden werde, für die der Wert des Grundstücks als Sicherheit dienen soll.

Nichts anderes gilt, wenn der Auftraggeber das Gutachten nicht zur Erlangung eines üblichen Darlehens verwendet, sondern eine Anleihe auflegt, um sich das benötigte Kapital bei mehreren Investoren zu beschaffen. In diesem Fall erhöht sich das Haftungsrisiko des Gutachters nicht. Sein Risiko bleibt vielmehr gleich und wird durch den von ihm in seinem Gutachten festgestellten Wert des Grundstücks begrenzt. Denn der Gutachter, der weiß, dass sein Gutachten einer kreditgebenden Bank zum Nachweis von Sicherheiten vorgelegt wird, muss damit rechnen, dass eine Beleihung des bewerteten Grundstücks bis zu der banküblichen Beleihungsgrenze vorgenommen wird. Er geht damit das Risiko ein, bis zu dieser Grenze in Haftung genommen zu werden, wenn sein Gutachten einen höheren als den tatsächlichen Wert angibt. Tritt an die Stelle eines Kreditgebers eine Vielzahl von Anlegern, wird das Haftungsrisiko lediglich auf diese aufgeteilt (vgl. BGH, NJW 1984, 355 [356] zur Ausweitung des Kreises der einbezogenen Dritten von einem Kaufinteressenten auf eine Käufergruppe; zust. Canaris, ZHR 163 [1999], 206 [209, 235ff.]). Dies gilt jedenfalls, solange der Auftraggeber das Gutachten lediglich für die Erlangung von Kredit in einer Höhe verwendet, die durch den im Gutachten festgestellten Betrag gedeckt ist. Der Kreis der in den Schutzbereich des Gutachtenauftrags einbezogenen Dritten findet hingegen dort eine Grenze, wo der Auftraggeber das Gutachten in einer Weise verwendet, mit der ein redlicher Gutachter nicht mehr rechnen muss. Das kann dann der Fall sein, wenn der Auftraggeber von dem Gutachten einen rechtswidrigen, insbesondere betrügerischen Gebrauch macht, um Kredit in einem Umfang zu erlangen, der durch die gutachterliche Bewertung nicht mehr gedeckt ist, und dadurch ein Schaden entsteht, der in seiner Summe über das hinausgeht, womit der Gutachter rechnen musste.

Entsprechende Feststellungen hat das BerGer. nicht getroffen; die Revisionserwiderung erhebt insoweit auch keine Gegenrügen.

2. Das angefochtene Urteil kann auch keinen Bestand haben, soweit das BerGer. Schadensersatzansprüche aus § 826 BGB mit der Begründung verneint hat, es fehle an der Darlegung, dass der Bekl. bei der Erstattung des Gutachtens leichtfertig und gewissenlos gehandelt habe; es sei nicht vorgetragen worden, dass sich dem Bekl. Zweifel an der Richtigkeit der Wertangaben im Zeitpunkt der Erstattung seines Gutachtens hätten aufdrängen müssen. Denn die Revision rügt zu Recht, dass das BerGer. den eigenen Sachvortrag des Bekl., den sich der Kl. zu Eigen gemacht hat, bei seiner Beurteilung außer Acht gelassen hat.

a) Nach der Rechtsprechung des BGH ist Voraussetzung für die Haftung eines Gutachters wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung eines Dritten durch ein fehlerhaftes Gutachten, dass der Sachverständige bei Erstellung des Gutachtens leichtfertig oder gewissenlos und zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Dass der Sachverständige ein falsches Gutachten erstellt hat, reicht dazu, wie das BerGer. im Ausgangspunkt zu Recht angenommen hat, nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass sich der Sachverständige etwa durch nachlässige Ermittlungen zu den Grundlagen seines Auftrags oder gar durch „ins Blaue” gemachte Angaben der Gutachtenaufgabe leichtfertig entledigt und damit eine Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Adressaten des Gutachtens oder den in seinem Informationsbereich stehenden Dritten an den Tag gelegt hat, die angesichts der Bedeutung, die das Gutachten für deren Entschließungen hatte, und der von ihm in Anspruch genommenen Kompetenz als gewissenlos bezeichnet werden muss (BGH, NJW 2003, 2825 [2826] = NZM 2003, 728; NJW 1991, 3282 [3283], jew. m.w. Nachw.).

Ob das Verhalten eines Gutachters als in diesem Sinne sittenwidrig anzusehen ist und ob das BerGer. die Gesamtumstände des Falls in erforderlichem Umfang gewürdigt hat, unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung (BGHZ 154, 269 = NJW 2003, 728 = VersR 2003, 653 [654]; NJW 2001, 3702 = VersR 2001, 1431 [1432]; NJW 1991,  1046 = VersR 1991, 597).

b) Der Bekl. will seinem eigenen Vorbringen, das sich der Kl. zu Eigen gemacht hat, zufolge den Wert des Grundstücks unter Zugrundelegung der durch die E nach dem geplanten Erwerb des Grundstücks in Aussicht genommenen Nutzungsänderung durch Bebauung mit Wohn- und Geschäftshäusern ermittelt und in dem Gutachten ausgewiesen haben. Das Gutachten weist demgegenüber aus, dass Gegenstand des Wertgutachtens das Grundstück nebst Erschließung und aufstehenden Gebäuden im Zeitpunkt der Begutachtung war und der Wert des Grundstücks in diesem Zustand nach dem mutmaßlichen Ertrag ermittelt worden ist, weil für die Wertermittlung nach Vergleichswerten fünf direkt vergleichbare Grundstücke erforderlich seien und nicht zur Verfügung gestanden hätten. Ein Hinweis darauf, dass die Wertermittlung auf der Grundlage einer beabsichtigten Bebauung des Grundstücks mit Wohn- und Geschäftshäusern erfolgt sei, findet sich in dem Gutachten nicht. Bei dieser Sachlage kann ein Schadensersatzanspruch des Kl. aus § 826 BGB nicht mit der Begründung verneint werden, der Kl. habe nicht dargelegt, dass der Bekl. das Gutachten leichtfertig und zumindest mit bedingtem Schädigungsvorsatz abgegeben habe.

III.
Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird der dem Bekl. erkennbare Inhalt des Gutachtenauftrags anhand der Gesamtumstände unter Einbeziehung der Zweckangabe und des Inhalts des Gutachtens und unter Heranziehung seines eigenen Vorbringens zu den Umständen der Auftragserteilung festzustellen sein. Dabei kann auch der im Berufungsurteil dahingestellt gebliebenen Frage Bedeutung zukommen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der in dem Gutachten ausgewiesene Wert des Grundstücks von dessen Wert zum Zeitpunkt der Begutachtung abgewichen ist, das Gutachten also objektiv falsch war.

Das BerGer. wird bei der Beantwortung der Frage, ob die Anleger in den Schutzbereich des Vertrags über die Erstattung des Gutachtens einbezogen sind, weiter zu berücksichtigen haben, dass der in dem Gutachten enthaltene Hinweis, dieses sei „nur für den Auftraggeber bestimmt” – entgegen der Auffassung des Bekl. – allein nicht geeignet ist, eine Einbeziehung der Anleger zu verneinen. Denn bei diesem Hinweis handelt es sich nur um einen Gesichtspunkt, der bei der nach dem oben Gesagten erforderlichen Gesamtbetrachtung des Inhalts des Gutachtens, der Umstände der Auftragserteilung und des Vortrags des Gutachters zu berücksichtigen ist. Weiter wird das BerGer. zu beachten haben, dass eine Einbeziehung der Anleger in den Schutzbereich nicht deswegen ausscheidet, weil das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen den Verkauf der Anleihe wegen des Fehlens einer Bankerlaubnis verboten hat. Denn das Verbot berührt nicht die Bedeutung, die das Gutachten des Bekl. für die Vermögensdisposition der Anleger gehabt hat und bleibt ohne Einfluss auf das Haftungsrisiko des Gutachters.

Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird zu beachten sein, dass, wie das BerGer. im Ausgangspunkt zutreffend erkannt hat, zwar grundsätzlich der Kl., der den Bekl. unter dem Gesichtspunkt eines Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter in Anspruch nimmt, dafür darlegungs- und beweispflichtig ist, dass er als Dritter in den Schutzbereich des Gutachtervertrags einbezogen ist. Das BerGer. wird aber auch zu berücksichtigen haben, dass dem Anspruchsteller Beweiserleichterungen zugute kommen können. Muss eine Partei Umstände darlegen und beweisen, die zu dem ihrem Einblick entzogenen Bereich des Prozessgegners gehören, ist zu prüfen, ob es dem Prozessgegner im Rahmen seiner Erklärungslast nach § 138 II ZPO zuzumuten ist, dieser Partei eine prozessordnungsgemäße Darlegung durch nähere Angaben über die zu ihrem Wahrnehmungsbereich gehörenden Verhältnisse zu ermöglichen (BGHZ 86, 23 [29] = NJW 1983, 687; BGHZ 140, 156 [158] = NJW 1999, 579; BGH, NJW-RR 1999, 1152; vgl. auch Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., Vorb. § 284 ZPO Rdnrn. 34ff.). Kommt die Partei dieser sekundären Darlegungspflicht nicht nach, gilt der sonst als nicht hinreichend substanziiert anzusehende Vortrag des Prozessgegners als zugestanden.

Bei der Prüfung von Schadensersatzansprüchen wird es auch darauf ankommen, ob und in welchem Umfang das umstrittene Wertgutachten falsch war, insbesondere darauf, ob es nicht den tatsächlichen Wert des Grundstücks im Zeitpunkt der Begutachtung, sondern den Wert ausgewiesen hat, den das Grundstück nach Durchführung der von der E beabsichtigten Bebauung mit Wohn- und Geschäftshäusern gehabt hätte. Da das BerGer. entsprechende Feststellungen nicht getroffen hat, wird dies im erneuten Berufungsverfahren unter gegebenenfalls ergänzendem Sachvortrag der Parteien nachzuholen sein. Eine abschließende Entscheidung durch den Senat ist auch insoweit nicht möglich.

Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird weiter zu beachten sein, dass nicht nur derjenige sittenwidrig handelt, der die haftungsbegründenden Umstände positiv kennt, sondern auch derjenige, der sich einer solchen Kenntnis bewusst verschließt (BGH, NJW 1994, 2289 [2291]). Auch in diesem Zusammenhang könnte es Bedeutung gewinnen, wenn sich bei der erneuten Verhandlung der Sache ergeben sollte, dass das umstrittene Gutachten nicht den Wert des Grundstücks im Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens ausgewiesen hat, sondern für den Fall des Erwerbs und der Bebauung mit Wohn- und Geschäftshäusern entsprechend der von der E dem Bekl. mitgeteilten Planung, und dass der vom Gutachter ermittelte Wert des Grundstücks in dem vom Kl. behaupteten Umfang von seinem tatsächlichen Wert im Zeitpunkt der Gutachtenerstellung durch den Bekl. erheblich abweicht.

Bei der Bemessung eines dem Kl. gegebenenfalls entstandenen Schadens wird zu beachten sein, dass der Bekl. dem Kl. gegenüber lediglich für die Richtigkeit seines Gutachtens, das heißt dafür einzustehen hat, dass das Grundstück tatsächlich den von ihm angegebenen Wert hat. Schäden, die dem Kl. dadurch entstanden sind, dass sich Gewinnerwartungen nicht realisiert haben, welche die E dem Kl. versprochen hatte, sind demgegenüber nicht adäquat kausal auf seine gutachterliche Tätigkeit zurückzuführen. Soweit der Kl. Zahlungen des Treuhänders erhalten hat, dürfen diese – im Verhältnis zum Bekl. – somit nur auf die Hauptforderung, nicht aber auf die von der E vertraglich geschuldeten Zinsen angerechnet werden.


Quellennachweis:

https://beck-online.beck.de/

Kaufvertrag

https://ste-u-err-echt.com/kaufvertrag/

Grundlagen des Zivilrechts – Willenserklärung

https://ste-u-err-echt.com/willenserklaerung/

Übungsaufgabe – Der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte

https://ste-u-err-echt.com/uebung-23/
† Schutzwirkungen eines Gutachtenauftrags zur Grundstückswertermittlung – BGH, Urteil vom 20. 4. 2004 – X ZR 250/02 (OLG Brandenburg)

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