Fall 26 (OLG Frankfurt/M., NJW 1986, 1941): Haftung des Lehrers für Kosten einer Klassenfahrt
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Haftung des Lehrers für Kosten einer Klassenfahrt



Fall 26 (OLG Frankfurt/M., NJW 1986, 1941) – https://ste-u-err-echt.com/stellvertretung/ :


Lehrer L bestellt im Reisebüro R für eine Klassenfahrt Bahntickets und bucht ein gemeinsames Hotel für die Unterbringung der Schulklasse. Der Elternbeiratsvorsitzende E, an den nach einer Vereinbarung beim Elternabend die Vorauszahlungen für die Klassenfahrt zu leisten waren, holte die Bahnkarten beim Reisebüro R ab, zahlte aber nicht bar. Er bat um eine Rechnung an die Schule, zu Händen des L. Das an ihn vorausgezahlte Geld gab E für eigene Zwecke aus. Das Reisebüro verklagt daraufhin den L auf Zahlung von DM 6.000. Es verweist insbesondere auf eine Vertragsklausel, nach der der Besteller der Tickets sich zur Zahlung persönlich verpflichtet. Hat die Klage Erfolg?



Die Klage hat keinen Erfolg



I.

Meldet ein Klassenlehrer seine Schulklasse für eine gemeinschaftliche Fahrt an, handelt er mangels besonderer Gegebenheiten erkennbar im Namen der Schüler.


II.

Eine Klausel, die neben einer Haftungsübernahme des Vertreters zugleich eine Anerkennung der AGB im Namen des Vertretenen enthält, verstößt gegen § 11 Nr. 14a AGB-Gesetz (Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen).



Gründe



Es ist nicht zulässig, den Lehrer L als Vertragspartei beziehungsweise Mithaftenden in Anspruch zu nehmen, obgleich L auf dem Anmeldungsformular mit seiner Unterschrift bekräftigt, dass er für die Vertragsverpflichtungen der angemeldeten Teilnehmer/-innen selbst einstehe. Es ist unzulässig, L aus dem Gesichtspunkt des § 427 BGB für den vollen Fahrpreis haften zu lassen. Gleichermaßen ist es nicht rechtens ihn als Mithaftenden in Anspruch zu nehmen, falls aus der von L unterschriebenen Klausel die Vereinbarung einer nur anteiligen Haftung hervorgeht.

Eine Vertragspartnerschaft des Schulträgers scheidet aus, da kein Fall der Bevollmächtigung von L durch diesen vorliegt. Die Schule ist für die Kosten der Schulfahrt nicht zu verpflichten. Es ist unschädlich, dass der Name der Schule auf der “Anmeldung” in der Rubrik “vollständige Anschrift der Schule” und im Kopf der formularmäßigen Bestellung aufgeführt ist. Eine Schulfahrt liegt außerhalb des unmittelbaren Unterrichtszwecks. Ihr obliegt es den Jugendlichen gemeinsame Erlebnisse zu ermöglichen, dadurch den Klassenverband zu stärken und erfüllt nur im weiteren Sinne Erziehungsaufgaben. Die Erwähnung der Schule in den Formularen dient nicht der Festlegung des Vertragspartners. Mithin wird mit der Aufführung dieser im Antrag die vom Lehrer veranstaltete Schulfahrt konkretisiert. 

Zusätzlich ist Lehrer L ebenso kein Vertragspartner. Vielmehr repräsentiert er die Klasse, wenn er die Formulare ausfüllt und unterschreibt. Es handelt sich um die Fahrt einer Gruppe. Hierbei fungiert L als Gruppenleiter für die Teilnehmer/-innen, die nur aus Praktikabilitätsgründen nicht einzeln aufgeführt sind. Darüber hinaus handelt L nicht in eigenem Namen, sondern im Namen der Schüler/-innen beziehungsweise ihrer gesetzlichen Vertreter/-innen. Der Lehrer hat kein eigenes Interesse an der Durchführung der Reise mit der Klasse. Es entspricht nicht seinem Willen, selbst verpflichtet zu werden und gegebenenfalls die gesamten Kosten in Höhe von DM 6.000 der Schulfahrt zu tragen. Vielmehr begleitet L die Gruppe und ist für sie verantwortlich.

Dem Handeln in fremdem Namen steht es nicht entgegen, wenn der/die Vertretene nicht ausdrücklich namentlich genannt wird. Die Bestimmbarkeit des Namens des/der Vertretenen genügt zur Erfüllung der Vorschrift des § 164 BGB. Ein Verpflichtungsgeschäft für den, “den es angeht” im eigentlichen Sinne, das nicht in allen Fällen rechtlich zulässig ist, liegt nicht vor, weil der Lehrer nicht als verdeckter Stellvertreter, sondern erkennbar im Namen seiner Schüler/-innen gehandelt hat. L war zum Vertragsschluss bevollmächtigt. Er hatte einen Beschluss der Elternversammlung über die Durchführung der Fahrt herbeigeführt, und das Geld wurde verabredungsgemäß bei dem Elternbeiratsvorsitzenden E angespart, der es aber veruntreut hat. 

Selbst wenn L ein Mitbesteller wäre, hätte er auf jeden Fall nicht kraft Gesetzes den gesamten Reisepreis zu entrichten. Die an der Klassenfahrt Teilnehmenden sind keine gemeinschaftliche Verpflichtung zu einer teilbaren Leistung eingegangen, die sie nach der Auslegungsregel des § 427 BGB als Ausnahme zu der Vorschrift des § 420 BGB als Gesamtschuldner verpflichten würde. Hier sind die folgenden Voraussetzungen nicht erfüllt, die eine gemeinsame Schuld bejahen:

Die vertragliche Bezugnahme der Leistungen aufeinander (Selb, in: MünchKomm, 2. Aufl. (1985), § 427 Rdnr. 1),
Befriedigung eines einheitlichen Interesses des Gläubigers (Selb, in: MünchKomm, § 420 Rdnr. 1).

Bei diesem Fall liegt eine Kumulierung in sich abgeschlossener Verträge vor (Urt. v. 14. 11. 1985 – 1 U 230/84). Es ist allenfalls daran zu denken, eine Verknüpfung der selbständigen Verträge im Sinne der Vorschrift des § 139 BGB anzunehmen (vgl. Selb, in: MünchKomm, § 421 Rdnr. 8). Schließlich wäre sogar für den Fall, dass eine Schuldnerschaft im Sinne des § 427 BGB anzunehmen wäre, zu berücksichtigen, dass die gesamtschuldnerische Verpflichtung nur “im Zweifel” gilt. Die Interessenlage jeden Schülers und seiner Eltern liegt nicht darin begründet für Fahrt- und Unterbringungskosten aller Mitschüler aufkommen zu wollen. 

Der Lehrer hat nicht aufgrund der von ihm in der Anmeldung unterschriebenen Klausel für die Klageforderung aufzukommen. Zusätzlich steht er nicht für die Vertragsverpflichtungen der von ihm mitangemeldeten Teilnehmer und Teilnehmerinnen ein. Diese Klausel verstößt gegen § 11 Nr. 14 a AGB-Gesetz. Danach ist eine Bestimmung, wonach einem Vertreter eine eigene Haftung oder Einstandspflicht auferlegt wird, nur bei einer ausdrücklichen und gesonderten Erklärung, die hierauf gerichtet ist, zulässig. Eine derartige Klausel kommt in Wahrheit entsprechend § 4 AGB-Gesetz grundsätzlich deshalb nicht zum Zuge, weil sie im Widerspruch zum Gesamtgepräge des Individualvertrages steht (Löwe-Graf v. Westphalen-Trinkner, AGB-Gesetz, 1977, § 4 Rdnr. 32), sodass ihre ausdrückliche Aufnahme in § 11 Nr. 14 an sich unnötig erscheint (§ 11 Nr. 14 Rdnr. 1).

Gemäß § 11 Nr. 14a AGB-Gesetz muss durch die Haftungsklausel offenbar werden, dass der Vertreter zusätzlich selbst einen Vertrag mit dem Verwender abschließt. Aus diesen Gründen muss seine Verpflichtungserklärung vom übrigen Vertragstext deutlich getrennt und in ihrer Formulierung klar und unmissverständlich sein (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 45. Aufl. (1986), § 11 AGB-Gesetz Anm. 14b; LG Osnabrück, NJW 1985, 389). Zusätzlich ist zumindest auch eine gesonderte Unterschrift neben der für den Vertretenen zu verlangen (Löwe-Graf v. Westphalen-Trinkner, § 11 Nr. 14 Rdnr. 4). Diese Voraussetzungen erfüllt die Klausel auf der Anmeldung nicht:

L hatte das Formular nur einmal, und zwar am unteren Ende direkt unter der Mithaftungsbestimmung zu unterschreiben. Damit erschien für ihn die Unterschrift als Bestätigung der gesamten Anmeldung.
Der Lehrer wurde auf die Besonderheit der Klausel nicht hingewiesen. Diese enthält zwei Vertragserklärungen. Die Erste betrifft die im Namen der Vertretenen erklärte Anerkennung der Geschäftsbedingungen und die Zweite die eigene Haftungserklärung. In einem Satz werden Erklärungen im fremden und im eigenen Namen abgegeben.
Dem Erfordernis einer gesonderten Erklärung ist damit nicht Rechnung getragen. Dem Lehrer ist nicht deutlich vor Augen gehalten, dass er zusätzlich eine eigene Bindung dem Reisebüro (Klägerin) gegenüber eingeht; eine weitere Unterschrift im eigenen Namen liegt nicht vor. 

Allerdings ist § 11 Nr. 14a AGB-Gesetz nicht anwendbar, wenn der Handelnde als Mitbesteller, Mitantragsteller oder ähnlich auftritt (Palandt-Heinrichs, § 11 AGB-Gesetz Anm. 14b). Nicht verboten ist es, einen Mitbesteller in die Haftung einzubeziehen, die sich schon aus seiner Rolle als weiterer Vertragspartner des Verwenders ergeben würde (vgl. Löwe-Graf v. Westphalen-Trinkner, § 11 Nr. 14 Rdnr. 3). Wie oben ausgeführt, ist der Lehrer L kein Vertragspartner.

Hiervon abgesehen würde es aber auch einen Verstoß gegen § 11 Nr. 14 a AGB-Gesetz darstellen, wenn ein Besteller, der nach dem Gesetz nur für den auf seine Person entfallenden Anteil leistungspflichtig wäre, ohne gesonderte ausdrückliche Erklärung für die Pflichten aller Mitbesteller in Anspruch genommen werden könnte. Es wäre nach dem Sinn des AGB-Gesetzes nicht gerechtfertigt, einen Besteller, der zum Teil im eigenen, zum Teil im fremden Namen handelt, über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus auf das Ganze verpflichten zu können, ohne dass die Voraussetzungen des § 11 Nr. 14 a AGB-Gesetz erfüllt sind. Eine Nichtanwendung des § 11 Nr. 14 a AGB-Gesetz hätte zur Folge, dass der nur seinem Anteil entsprechend Verpflichtete für die Kosten sämtlicher Mitbeteiligter aufzukommen hätte, obwohl er insoweit als Vertreter in gleicher Weise schutzbedürftig ist. 



Quellennachweis:
https://beck-online.beck.de



Fall 26 (OLG Frankfurt/M., NJW 1986, 1941): Haftung des Lehrers für Kosten einer Klassenfahrt

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