Günstigerprüfung: steuerlicher Kinderfreibetrag versus Kindergeld
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Familienleistungsausgleich 

Die wichtigste Förderung von Familien erfolgt durch den Familienleistungsausgleich (§ 31 EStG). 

Die Vorschrift regelt das Zusammenwirken von Kindergeld und Freibeträgen für Kinder

Im laufenden Kalenderjahr wird das Kindergeld monatlich als Steuervergütung an die Eltern ausgezahlt, die Regelungen hierzu enthält der X. Abschnitt des EStG (§§ 62 ff. EStG). Nach Ablauf des Kalenderjahres erfolgt bei der Veranlagung zur Einkommensteuer eine Günstigerprüfung. Hierbei wird geprüft, ob der Ansatz der Freibeträge nach § 32 Absatz 6 EStG zu einer höheren steuerlichen Entlastung führt als das ausgezahlte Kindergeld. Eine doppelte Förderung soll allerdings nicht erfolgen, bei Ansatz der Freibeträge nach § 32 EStG, wird die tarifliche Einkommensteuer um den Kindergeldanspruch erhöht. Im Ergebnis wird entweder das Kindergeld gewährt oder das zu versteuernde Einkommen um die Freibeträge gemindert. 


Günstigerprüfung 

Gemäß § 31 Satz 1 EStG wird die Freistellung des Existenzminimums entweder durch die Freibeträge nach § 32 Absatz 6 EStG oder das Kindergeld bewirkt. 

Die erforderliche Günstigerprüfung wird vom Amts wegen im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer durchgeführt. Die erforderlichen Angaben sind auf der Anlage Kind zu machen. Im Rahmen der Günstigerprüfung erfolgt ein Vergleich der steuerlichen Auswirkung der Freibeträge einerseits sowie der Höhe des Anspruchs auf Kindergeld andererseits. Ist die steuerliche Auswirkung der Freibeträge höher als das Kindergeld, so werden diese bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens berücksichtigt, d.h. vom zu versteuernden Einkommen abgezogen. Der Kindergeldanspruch ist in diesen Fällen der tariflichen Einkommensteuer hinzuzurechnen, § 31 Satz 4 EStG i. V. m. § 2 Absatz 6 Satz 3 EStG. Die Günstigerprüfung ist für jedes Kind gesondert durchzuführen. 


Achtung! 

Für die Günstigerprüfung wird der Anspruch auf Kindergeld zu Grunde gelegt und der tariflichen Einkommensteuer hinzugerechnet. Auch wenn klar ist, dass der Ansatz der Freibeträge günstiger ist, muss ein Kindergeldantrag gestellt werden, um Nachteile zu vermeiden. Denn das Kindergeld bekommt nur derjenige ausgezahlt, der auch einen Antrag gestellt hat!


Beispiel: 


Die Eltern haben ein minderjähriges Kind. Es erfolgt eine Zusammenveranlagung. Das zu versteuernde Einkommen im Kalenderjahr 2020 beträgt vor Ansatz der Freibeträge nach § 32 Absatz 6 EStG 75.000 € bzw. 45.000 €. 


Lösung: 


Zu versteuerndes Einkommen 202075.000 €45.000 €
Einkommensteuer ohne Ansatz der Freibeträge 15.192 € 6.034 €
Einkommensteuer nach Ansatz der 
Freibeträge in Höhe von 7.812,00 €;
zu versteuerndes Einkommen beträgt 
67.188 € bzw. 37.188 € 
12.624 € 3.962 €
Steuervorteil durch Ansatz der Freibeträge 2.567 € 2.072 €
Abzüglich Kindergeldanspruch-2.448 €-2.248 €
Verbleibender Steuervorteil +119 € -376 €

Fazit: 

Bei einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von 75.000 € verbleibt auch nach Hinzurechnung des Kindergeldanspruchs auf die tarifliche Einkommensteuer noch ein Steuervorteil von 119 €. 

Bei einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von nur 45.000 € führt der Ansatz der Freibeträge hingegen zu einem Nachteil in Höhe von 376 €. In diesem Fall ist der Kindergeldanspruch günstiger. Diese Berechnung berücksichtigt nicht die Auswirkung auf die Zuschlagsteuern (Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer). 


Besonderheit bei nicht verheirateten, getrenntlebenden oder geschiedenen Eltern! 

Nach der Übertragung des Kinderfreibetrags auf den anderen Elternteil steht dem abgebenden Elternteil keinerlei Kinderfreibetrag mehr zu, daher entfällt bei ihm auch zwangsläufig der Bedarfsfreibetrag. Die Günstigerprüfung nach § 31 EStG entfällt somit. 

Ist nach der Übertragung für das betreffende Kind ein voller Kinderfreibetrag beim Steuerpflichtigen zu berücksichtigen, ist bei der Günstigerprüfung auch der volle Kindergeldanspruch gegenüberzustellen. Es kommt dabei nicht darauf an, an wem das Kindergeld gezahlt wurde. Wurde nur der Betreuungsfreibetrag und nicht der Kinderfreibetrag übertragen, ist bei der Günstigerprüfung der halbe Kindergeldanspruch anzurechnen. 


Beispiel: 


Lukas und Milena sind die Eltern des Kindes Silas (12 Jahre) und nicht verheiratet. Silas lebt bei seiner Mutter und ist ausschließlich dort gemeldet. Der Kindergeld-Anspruch für Silas beläuft sich im Jahr 2020 auf insgesamt 2.448,00 € (204,00 € x 12 Monate). Der Vater erfüllt seine Unterhaltspflicht zu weniger als 75 %. Milena beantragt aus diesem Grund die Übertragung des Kinderfreibetrages. Ihr Einkommen beträgt – ohne Berücksichtigung der Freibeträge für Kinder – 35.000,00 €.


Lösung: 


Wenn die Übertragung des Kinderfreibetrages wegen der Verletzung der Unterhaltspflicht beantragt wird, erfolgt automatisch auch die Übertragung des Betreuungsfreibetrages. Bei Milena werden somit Freibeträge in Höhe von 7.812,00 € für den Sohn Silas berücksichtigt. Ohne Antrag auf Übertragung 3.906,00 € (7.812,00 € : 2 Personen). Hierzu entsprechend wird bei der Übertragung der Freibeträge der volle Kindergeldanspruch berücksichtigt (2.448,00 €), ohne Übertragung nur der halbe Kindergeldanspruch (1.224,00 €). 


Ohne ÜbertragungMit Übertragung
Einkommen vor
Ansatz der Freibeträge
für Kinder
35.000 €35.000 €
Einkommensteuer
nach Grundtabelle 
6.767 € 6.767 €
Einkommen nach Ansatz der Freibeträge
für Kinder 
31.094 €27.188 €
Einkommensteuer nach Grundtabelle  5.524 € 4.346 €
Steuervorteile durch Ansatz der Freibeträge  1.243 € 2.421 €
Abzüglich Kindergeldanspruch  -1.224 € -2.448 €
Verbleibender Steuervorteil  +19 € -27 €

In diesem Fall ist die Übertragung für Milena nachteilig, da bei der Günstigerprüfung auch der volle Kindergeldanspruch berücksichtigt wird. Obwohl der Kindsvater keinen Unterhalt zahlt, sollte die Übertragung des Kinderfreibetrages nicht beantragt werden. 



Milena kann auch nur die Übertragung des Betreuungsfreibetrages beantragen, dann werden Freibeträge in Höhe von 5.226,00 € berücksichtigt (KFB 2.586,00 €, 2 x BEA-FB 1.320,00 €)


Ohne ÜbertragungÜbertragung BEA-FB
Einkommen vor
Ansatz der Freibeträge
für Kinder 
35.000 €35.000 €
Einkommensteuer
nach Grundtabelle 
6.767 € 6.767 €
Einkommen nach
Ansatz der Freibeträge
für Kinder 
31.094 €29.774 €
Einkommensteuer
nach Grundtabelle 
5.524 € 5.118 €
Steuervorteil durch
Ansatz der Freibeträge 
1.243 € 1.649 €
Abzüglich
Kindergeldanspruch 
1.224 € 1.224 €
Verbleibender
Steuervorteil 
+19 € +425 €

Quellenangabe:

https://einkommensteuertabellen.finanz-tools.de/downloads/splittingtabelle-2020.pdf
https://einkommensteuertabellen.finanz-tools.de/downloads/grundtabelle-2020.pdf

Günstigerprüfung: steuerlicher Kinderfreibetrag versus Kindergeld

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Herzlich Willkommen auf meiner Website / meinem Blog Steuerrecht. Ich bin ausgebildete Finanzwirtin und arbeite in Düren als selbständige Beratungsstellenleiterin für einen der größten Lohnsteuerhilfevereine Deutschlands. Mit meiner Website / meinem Blog möchte ich euch bei steuerlichen Fragen beratend zur Seite stehen und auch informieren. Viel Spaß beim Stöbern. Bleibt gesund.

Ein Kommentar zu „Günstigerprüfung: steuerlicher Kinderfreibetrag versus Kindergeld

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