
Steuerfrei sind
§ 3 Nummer 11 EStG „Beihilfen und Unterstützungen, die wegen Hilfsbedürftigkeit gewährt werden“
§ 3 Nummer 11 EStG | Bezüge aus öffentlichen Mitteln oder aus Mitteln einer öffentlichen Stiftung, die wegen Hilfsbedürftigkeit oder als Beihilfe zu diesem Zweck bewilligt werden, die Erziehung oder Ausbildung, die Wissenschaft oder Kunst unmittelbar zu fördern. Darunter fallen nicht Kinderzuschläge und Kinderbeihilfen, die auf Grund der Besoldungsgesetze, besonderer Tarife oder ähnlicher Vorschriften gewährt werden. Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist, dass der Empfänger mit den Bezügen nicht zu einer bestimmten wissenschaftlichen oder künstlerischen Gegenleistung oder zu einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet wird. Den Bezügen aus öffentlichen Mitteln wegen Hilfsbedürftigkeit gleichgestellt sind Beitragsermäßigungen und Prämienrückzahlungen eines Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung für nicht in Anspruch genommene Beihilfeleistungen. |
Beihilfen und Unterstützungen aus öffentlichen Mitteln – R 3.11 Absatz 1 LStR
Steuerfrei sind
- Beihilfen in Krankheits-, Geburts- oder Todesfällen nach den Beihilfevorschriften des Bundes oder der Länder sowie Unterstützungen in besonderen Notfällen, die aus öffentlichen Kassen gezahlt werden;
- Beihilfen in Krankheits-, Geburts- oder Todesfällen oder Unterstützungen in besonderen Notfällen an Arbeitnehmer von Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts aufgrund von Beihilfevorschriften (Beihilfegrundsätzen) oder Unterstützungsvorschriften (Unterstützungsgrundsätzen) des Bundes oder der Länder oder von entsprechenden Regelungen;
- Beihilfen und Unterstützungen an Arbeitnehmer/-innen von Verwaltungen, Unternehmen oder Betrieben, die sich überwiegend in öffentlicher Hand befinden, wenn
a) die Verwaltungen, Unternehmen oder Betriebe einer staatlichen oder kommunalen Aufsicht und Prüfung der Finanzgebarung bezüglich der Entlohnung und der Gewährung der Beihilfen unterliegen und
b) die Entlohnung sowie die Gewährung von Beihilfen und Unterstützungen für die betroffenen Arbeitnehmer ausschließlich nach den für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes geltenden Vorschriften und Vereinbarungen geregelt sind; - Beihilfen und Unterstützungen an Arbeitnehmer von Unternehmen, die sich nicht überwiegend in öffentlicher Hand befinden, zum Beispiel staatlich anerkannte Privatschulen, wenn
a) hinsichtlich der Entlohnung, der Reisekostenvergütungen und der Gewährung von Beihilfen und Unterstützungen nach den Regelungen verfahren wird, die für den öffentlichen Dienst gelten,
b) die für die Bundesverwaltung oder eine Landesverwaltung maßgeblichen Vorschriften über die Haushalts-, Kassen- und Rechnungsführung und über die Rechnungsprüfung beachtet werden und
c) das Unternehmen der Prüfung durch den Bundesrechnungshof oder einen Landesrechnungshof unterliegt.
Unterstützungen an Arbeitnehmer im privaten Dienst – R 3.11 Absatz 2 LStR
Unterstützungen, die von privaten Arbeitgebern an einzelne Arbeitnehmer gezahlt werden, sind steuerfrei, wenn die Unterstützungen dem Anlass nach gerechtfertigt sind, zum Beispiel in Krankheits- und Unglücksfällen. Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist, dass die Unterstützungen
- aus einer mit eigenen Mitteln des Arbeitgebers geschaffenen, aber von ihm unabhängigen und mit ausreichender Selbständigkeit ausgestatteten Einrichtung gewährt werden. Das gilt nicht nur für bürgerlich-rechtlich selbständige Unterstützungskassen, sondern auch für steuerlich selbständige Unterstützungskassen ohne bürgerlich-rechtliche Rechtspersönlichkeit, auf deren Verwaltung der Arbeitgeber keinen maßgebenden Einfluss hat;
- aus Beträgen gezahlt werden, die der Arbeitgeber dem Betriebsrat oder sonstigen Vertretern der Arbeitnehmer zu dem Zweck überweist, aus diesen Beträgen Unterstützungen an die Arbeitnehmer ohne maßgebenden Einfluss des Arbeitgebers zu gewähren;
- vom Arbeitgeber selbst erst nach Anhörung des Betriebsrats oder sonstiger Vertreter der Arbeitnehmer gewährt oder nach einheitlichen Grundsätzen bewilligt werden, denen der Betriebsrat oder sonstige Vertreter der Arbeitnehmer zugestimmt haben.
Die Voraussetzungen des Satzes 2 Nummer 1 bis 3 brauchen nicht vorzuliegen, wenn der Betrieb weniger als fünf Arbeitnehmer beschäftigt. Die Unterstützungen sind bis zu einem Betrag von 600 Euro je Kalenderjahr steuerfrei. Der 600 Euro übersteigende Betrag gehört nur dann nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn, wenn er aus Anlass eines besonderen Notfalls gewährt wird. Bei der Beurteilung, ob ein solcher Notfall vorliegt, sind auch die Einkommensverhältnisse und der Familienstand des Arbeitnehmers zu berücksichtigen; drohende oder bereits eingetretene Arbeitslosigkeit begründet für sich keinen besonderen Notfall im Sinne dieser Vorschrift. Steuerfrei sind auch Leistungen des Arbeitgebers zur Aufrechterhaltung und Erfüllung eines Beihilfeanspruchs nach beamtenrechtlichen Vorschriften sowie zum Ausgleich von Beihilfeaufwendungen früherer Arbeitgeber im Falle der Beurlaubung oder Gestellung von Arbeitnehmern oder des Übergangs des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses auf den privaten Arbeitgeber, wenn Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 SGB V besteht.
Voraussetzung
Voraussetzung ist eine offene Verausgabung nach Maßgabe der haushaltsrechtlichen Vorschriften und unter gesetzlicher Kontrolle (BFH vom 09. April 1975 – BStBl. II S. 577 und vom 15. November 1983 – BStBl. II 1984 S. 113).
Empfänger
Empfänger einer steuerfreien Beihilfe können nur Personen sein, denen sie im Hinblick auf den Zweck der Leistung bewilligt worden ist (BFH vom 19. Juni 1997 – BStBl. II S. 652).
BAföG und Ausbildungszuschüsse
Zu den steuerfreien Erziehungs- und Ausbildungsbeihilfen gehören die Leistungen nach dem BAföG sowie die Ausbildungszuschüsse nach § 5 Ansatz 4 SVG.
Beamtenanwärter, Studienbeihilfen
Zu den steuerfreien Erziehungs- und Ausbildungsbeihilfen gehören nicht die Unterhaltszuschüsse an Beamte im Vorbereitungsdienst – Beamtenanwärter (BFH vom 12. August 1983 – BStBl. II S. 718), die zur Sicherstellung von Nachwuchskräften gezahlten Studienbeihilfen und die für die Fertigung einer Habilitationsschrift gewährten Beihilfen (BFH vom 04. Mai 1972 – BStBl. II S. 566).
BFH – Urteil vom 05. November 2014, VIII R 9/12
Sachverhalt
Frau Schuster wird mit ihrem Ehemann zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Frau Schuster betreute in den Jahren 2001 bis 2004 einen Jugendlichen aufgrund eines (Betreuungs-)Vertrages mit einem Jugendhilfeprojekte organisierenden privaten Verein.
Nach dem Vertrag sollte Frau Schuster ohne Geltung arbeitsrechtlicher Vorschriften ab dem 24. April 2001 eigenverantwortlich und in Gesamtverantwortung gegenüber dem Verein und dem Jugendamt in einem Umfang von 24 Wochenstunden als Erzieherin für den Verein teils in ihrer Wohnung, teils in der Wohnung des Jugendlichen tätig sein.
Auf Anforderung war Frau Schuster verpflichtet, am Vereinsort für Schulungen, Beratungen usw. zur Verfügung zu stehen. Für die Betreuungsleistung sollte Frau Schuster ein monatliches Erziehungsgeld von 3.200 DM sowie die notwendigen Sachkosten zur Sicherung der Lebensgrundlage des betreuten Jugendlichen (Lebensmittel, Miete, Taschengeld etc.; rd. 800 Euro monatlich) erhalten.
Das monatliche Erziehungsgeld wurde ab dem 01. Januar 2002 auf 1.790 Euro und ab dem 01. Oktober 2003 auf 2.000 Euro erhöht.
Einkommensteuerveranlagung durch das Finanzamt
Aufgrund einer Außenprüfung stellte das Finanzamt fest, dass Frau Schuster die Einnahmen aufgrund des Betreuungsvertrages in ihren Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2001 bis 2003 nicht erklärt hatte. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, die Beträge seien nicht nach § 3 Nummer 11 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei.
Dementsprechend änderte das Finanzamt die Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre 2001 bis 2003 gemäß § 173 Absatz 1 Nummer 1 der Abgabenordnung (AO) mit Änderungsbescheiden vom 29. November 2005. Das Finanzamt setzte für Frau Schuster Einnahmen für die Tätigkeit als Erzieherin gemäß § 18 EStG „Einkünfte aus selbständiger Arbeit“ in Höhe von 24.000 Euro fest. Die Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 24.000 Euro betreffen den Veranlagungszeitraum 2004 und wurden mit Bescheid vom 06. Januar 2006 festgesetzt.
Einspruch und Klage
Der Einspruch und die Klage seitens Frau Schuster blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2011, 311 veröffentlichten Urteil vom 22. Oktober 2010, 4 K 478/07 als unbegründet ab.
Frau Schuster ging in Revision und rügte die Verletzung des § 3 Nummer 11 EStG.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass das Finanzgericht zu Recht eine Steuerfreiheit nach
§ 3 Nummer 11 EStG verneint habe, da hier Betreuungsentgelte nach den Pflegesätzen für Heimerziehung nach § 34 SGB VIII und nicht nach denen für Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII gezahlt worden seien.
Die hier gewährte Hilfe zur Erziehung nach § 34 SGB VIII habe eine starke Ähnlichkeit mit den Einnahmen solcher Tagesmütter, die eine Vergütung unmittelbar von den Eltern der betreuten Kinder erhielten, sowie eine Ähnlichkeit mit den Lohneinkünften angestellter Erzieher, die der Einkommensteuer unterworfen seien.
BFH – Urteil vom 05. November 2014, VIII R 9/12
Auf die seitens Frau Schuster eingelegte Revision hat der Bundesfinanzhof (BFH) reagiert.
Das angefochtene Urteil sowie die Einkommensteueränderungsbescheide für die Jahre 2001 bis 2003 vom 29. November 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08. Januar 2007 werden aufgehoben; die Einkommensteuer für 2004 ist unter Änderung des Einkommensteuerbescheides für 2004 vom 06. Januar 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08. Januar 2007 ohne Ansatz der Einnahmen von Frau Schuster aus erzieherischer Tätigkeit festzusetzen (§ 126 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 der Finanzgerichtsordnung).
Das Finanzgericht hat die Steuerfreiheit der Einnahmen, die Frau Schuster aus ihrer – dem Grunde nach den Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit zurechenbaren – Erziehertätigkeit erzielt hat, zu Unrecht verneint.
Grundlage der Rechtsprechung
Nach § 3 Nummer 11 Satz 1 EStG sind unter anderem Bezüge aus öffentlichen Mitteln steuerfrei, die als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt werden, die Erziehung unmittelbar zu fördern.
Öffentliche Mittel
Öffentliche Mittel sind solche, die aus einem öffentlichen Haushalt stammen, das heißt haushaltsmäßig als Ausgaben festgelegt und verausgabt werden (Urteile des Bundesfinanzhofs BFH vom 19. Juli 1972 I R 109/70, BFHE 106, 438, BStBl. II 1972, 839; vom 09. April 1975 I R 251/72, BFHE 115, 374, BStBl. II 1975, 577).
Diese Voraussetzung ist auch gewahrt, wenn die derart in einem Haushaltsplan ausgewiesenen Mittel nicht unmittelbar aus einer öffentlichen Kasse, sondern mittelbar über Dritte gezahlt werden, sofern über die Mittel nur nach Maßgabe der haushaltsrechtlichen Vorschriften verfügt werden kann und ihre Verwendung im Einzelnen gesetzlich geregelter Kontrolle unterliegt
(vgl. BFH – Urteile vom 15. November 1983 VI R 20/80, BFHE 139, 536, BStBl. II 1984, 113; vom 18. Mai 2004 VI R 128/99, BFH/NV 2005, 22).
Die Pflege- und Erziehungsgelder werden im Rahmen der öffentlichen Jugendhilfe von den Jugendämtern gezahlt. Der Annahme, dass die Pflege- und Erziehungsgelder „aus öffentlichen Mitteln“ gezahlt werden, steht nach der Rechtsprechung nicht entgegen, dass zur Begründung von Pflegeverhältnissen unter anderem der Abschluss zivilrechtlicher Pflegeverträge – zum Beispiel zwischen Jugendamt und Pflegeeltern- für erforderlich gehalten wird. Die mit dem Abschluss solcher Verträge verbundenen Zahlungen an Pflege- und Erziehungsgeldern stellen trotz der in zivilrechtliche Form gekleideten Übertragung des Erziehungsrechts eine haushaltsplanmäßige Verausgabung „öffentlicher Mittel“ dar (BFH-Urteil vom 28. Juni 1984 IV R 49/83, BFHE 141, 154, BStBl. II 1984, 571).
Unmittelbare Förderung der Erziehung
Eine unmittelbare Förderung der Erziehung im Sinne der Vorschrift liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn die Zuwendungen öffentlicher Mittel die Erziehung ohne ein Dazwischentreten weiterer Ereignisse beeinflussen.
Dies ist insbesondere für Zahlungen zu bejahen, mit denen die Zahlungsempfänger der Notwendigkeit des Gelderwerbs zum Lebensunterhalt enthoben und dadurch zeitlich in die Lage versetzt werden, sich der Erziehung zu widmen (BFH-Urteil vom 27. April 2006 IV R 41/04, BFHE 214, 69, BStBl. II 2006, 755, unter Bezugnahme auf die BFH-Urteile vom 04. Mai 1972 IV 133/64, BFHE 105, 374, BStBl. II 1972, 566, und in BFHE 141, 154, BStBl. II 1984, 571; vgl. von Beckerath, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Nummer 11 Rz B 11/49).
Erziehungsgelder
Ihrer unmittelbaren Förderung dienen öffentliche Beihilfen selbst dann, wenn sie auch den Unterhalt des zu Erziehenden mit abdecken (HHR/Bergkemper, § 3 Nummer 11 EStG Rz 7 „Unmittelbare Förderung“, m.w.N.).
Für die Frage, ob die an die Pflegeeltern gezahlten Erziehungsgelder die „Erziehung fördern“ oder ob sie auch noch anderen Zwecken dienen, kommt es nach der BFH-Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 141, 154, BStBl. II 1984, 571) entscheidend auf Inhalt und Durchführung des Pflegeverhältnisses an.
Nach dieser Rechtsprechung kann regelmäßig kein Zweifel daran bestehen, dass an Pflegeeltern geleistete Erziehungsgelder dazu bestimmt sind, zu Gunsten der in den Haushalt der Pflegeeltern dauerhaft aufgenommenen und wie leibliche Kinder betreuten Kinder und Jugendlichen „die Erziehung zu fördern“.
Solche Zweifel hat der BFH lediglich für Leistungen zugunsten sogenannter Kostkinder gesehen. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, ob die Zuschüsse nicht vor allem die Unterbringung und die Verköstigung abgelten sollen (vgl. zur steuerlichen Würdigung der Unterbringung, Verköstigung und der allgemeinen Betreuung von Kindern in Kinderheimen: BFH-Urteil vom 27. Juni 1974 IV R 204/70, BFHE 114, 95, BStBl. II 1975, 147).
Öffentlich-rechtliche Beihilfen
Öffentlich-rechtliche Beihilfen im Sinne des § 3 Nummer 11 EStG sind allerdings nur uneigennützig gewährte Unterstützungsleistungen (BFH-Urteil vom 23. September 1998 XI R 11/98, BFHE 187, 39, BStBl. II 1999, 133; vgl. von Beckerath, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 3 Nummer 11 Rz B 11/53; HHR/Bergkemper, § 3 Nummer 11 EStG Rz 7). Leistungen, die im Rahmen eines entgeltlichen Austauschgeschäfts erbracht werden, können danach nicht als Beihilfe qualifiziert werden (BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 600).
Demgemäß hat der BFH die von den Jugendämtern an Pflegeeltern geleisteten Erziehungsgelder als nach § 3 Nummer 11 EStG steuerfrei beurteilt; mit der Zahlung der Pflegegelder sei keine vollständige Ersetzung des sachlichen und zeitlichen Aufwands der Pflegeeltern beabsichtigt (BFH-Urteil in BFHE 141, 154, BStBl. II 1984, 571). Zuwendungen an Pflegeeltern ähnelten in vielerlei Hinsicht Zahlungen, die die leiblichen Eltern für die Erziehung ihrer Kinder ebenfalls steuerfrei erhielten (vgl. BFH-Urteil vom 17. Mai 1990 IV R 14/87, BFHE 161, 361, BStBl. II 1990, 1018).
Diesen Leistungen gegenübergestellt hat der BFH als steuerpflichtige Einnahmen Zahlungen an Personen, die Kinder nur des Erwerbs wegen in ihren Haushalt aufgenommen haben (BFH-Urteil in BFHE 161, 361, BStBl. II 1990, 1018).
Danach sind öffentliche Zuwendungen für die Übernahme der Heimerziehung keine Beihilfen im Sinne des § 3 Nummer 11 EStG, wenn die dafür gezahlten Beträge – pauschal – die tatsächlichen Kosten in angemessenem Umfang nach Maßgabe der zugrunde gelegten Pflegesätze hinsichtlich der Personal- und Sachkosten umfassen (BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 600, m.w.N. mit dem Hinweis, dass die unterschiedliche Behandlung von Pflegegeldern und Pflegesatzzahlungen – vor allem im Hinblick auf ihre Unterschiede in der Organisation und Finanzierung – mit Art. 3 des Grundgesetzes (GG) vereinbar ist; ebenso BFH-Urteil in BFHE 187, 39, BStBl. II 1999, 133).
Dementsprechend hat der BFH auch die von den Jugendämtern an die Betreuer von sogenannten Tagesgroßpflegestellen gezahlten Erziehungsgelder nicht als nach § 3 Nummer 11 EStG steuerfrei angesehen (BFH-Urteil in BFHE 161, 361, BStBl. II 1990, 1018); sie dienten nicht ausschließlich und nicht prägend der Erziehung, sondern auch der Unterbringung, der Verpflegung und der allgemeinen Betreuung.
Veranlagungszeiträume bis 2007
Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit für die Veranlagungszeiträume bis 2007 einschließlich maßgeblichem Schreiben vom 07. Februar 1990 IV B 1 –S 2121- 5/90 (BStBl. I 1990, 109) bestimmt:
„Personen, die ein fremdes Kind versorgen und erziehen, erhalten in bestimmten Fällen wegen der Kosten, die dadurch typischerweise entstehen, finanzielle Leistungen aus öffentlichen Mitteln (Pflegegeld im weiteren Sinne). Diese Leistungen werden entweder in einem einheitlichen Betrag gezahlt oder sie setzen sich zusammen aus einem Betrag, der unmittelbar der Sicherung des Lebensbedarfs des Kindes dient (Pflegegeld im engeren Sinne) und aus einem Erziehungsbeitrag (Erziehungsgeld)“.
Veranlagungszeiträume ab 2008
„Nach dem Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder in der Sitzung ESt I/90 – außerhalb der Tagesordnung – stellen sowohl das Pflegegeld im engeren Sinne als auch das Erziehungsgeld steuerfreie Einnahmen nach § 3 Nummer 11 EStG dar. Dies gilt auch bei Tages- oder Kurzzeitpflege. Voraussetzung ist jedoch, dass es sich um eine auf Dauer angelegte Pflege handelt und die Pflege nicht erwerbsmäßig betrieben wird. Erwerbsmäßig wird die Pflege betrieben, wenn das Pflegekind die wesentliche Erwerbsgrundlage darstellt. Bei einer Betreuung von bis zu fünf Kindern kann ohne nähere Prüfung unterstellt werden, dass die Pflege nicht erwerbsmäßig betrieben wird.“
Für Veranlagungszeiträume ab 2008 gilt nach dem bis zum 20. April 2011 geltenden BMF-Schreiben vom 20. November 2007 IV C 3 –S 2342/07/0001 (BStBl. I 2007, 824) für die Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII:
„Sowohl das Pflegegeld als auch die anlassbezogenen Beihilfen und Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln sind Beihilfen im Sinne des § 3 Nr. 11 EStG, die die Erziehung unmittelbar fördern, sofern eine Erwerbstätigkeit nicht vorliegt. Werden mehr als sechs Kinder im Haushalt aufgenommen, wird eine Erwerbstätigkeit vermutet. Bei einer Betreuung von bis zu sechs Kindern ist ohne weitere Prüfung davon auszugehen, dass die Pflege nicht erwerbsmäßig betrieben wird.“
Zwischengeschalteter Träger
Der Umstand, dass diese bewilligten Zahlungen über einen zwischengeschalteten Träger an Frau Schuster als Erziehende auf der Grundlage eines Vertrages zwischen ihr und dem Träger geleistet wurden, steht der Annahme „öffentlicher Mittel“ im Sinne des § 3 Nummer 11 EStG nicht entgegen.
Allerdings hat die Finanzverwaltung zur Vollzeitpflege im Wege der Abwicklung über einen zwischengeschalteten Träger durch BMF-Schreiben vom 21. April 2011 IV C 3 –S 342/07/0001: 126 (BStBl. I 2011, 487) mit Wirkung von diesem Tag an die Steuerfreiheit geleisteter Zahlungen nach § 3 Nummer 11 EStG an die Voraussetzung geknüpft, dass
- der Pflegeperson das ihr zustehende Pflegegeld direkt vom örtlichen Jugendamt bewilligt worden ist, sodass das Geld bei dem zwischengeschalteten freien Träger nur einen so genannten durchlaufenden Posten darstellt;
- zur Annahme eines durchlaufenden Postens eindeutige und unmissverständliche vertragliche Regelungen zwischen Jugendamt, freiem Träger und der Pflegeperson/Erziehungsstelle im Sinn des § 33 SGB VIII bestehen (vertragliche Vereinbarung zwischen allen Parteien, dass das vom Jugendamt zweckgebunden an den freien Träger ausgezahlte Pflegegeld unverändert an die Pflegeperson weitergeleitet wird und sich durch diese formale organisatorische Abwicklung dem Grunde und der Höhe nach am Pflegegeldanspruch der Pflegeperson nichts ändert) und
- die Vollmacht und die Erklärung der Pflegeperson vorliegen, mit der Weiterleitung des Pflegegeldes des örtlichen Jugendamts über den freien Träger einverstanden zu sein.
Diese Rechtsauffassung der Finanzverwaltung steht der Annahme „öffentlicher Mittel“ im Sinne von in einem öffentlichen Haushalt als Ausgaben festgelegten und entsprechend verausgabten Beträgen (BFH-Urteil in BFHE 106, 438, BStBl. II 1972, 839) nicht entgegen.
Diese Voraussetzung ist nach ständiger Rechtsprechung schon dann gewahrt, wenn die in einem Haushaltsplan ausgewiesenen Mittel nicht unmittelbar aus einer öffentlichen Kasse, sondern mittelbar über Dritte gezahlt werden, sofern über die Mittel nur nach Maßgabe der haushaltsrechtlichen Vorschriften verfügt werden kann und ihre Verwendung im Einzelnen gesetzlich geregelter Kontrolle unterliegt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 139, 536, BStBl. II 1984, 113; in BFH/NV 2005, 22).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
Betreutes Wohnen
„Pflege“ umfasst im Rahmen von Hilfe zur Erziehung im Wesentlichen die Komponenten von Betreuung, Erziehung und Bildung. Vollzeitpflege wird nach § 33 SGB VIII als „Familienpflege“ verstanden. Eine Familie versorgt und betreut für eine andere Familie deren Kinder. Sie unterscheidet sich dabei von anderen Hilfearten gemäß §§ 27 ff. SGB VIII dadurch, dass sie vorwiegend nicht durch professionelle pädagogische Mitarbeiter erbracht wird. Hinter dem Begriff Vollzeitpflege verbirgt sich eine Vielfalt unterschiedlicher Hilfearrangements, die von der kurzfristigen Aufnahme eines Kindes in einer familialen Notsituation bis hin zur langfristigen Lebensperspektive für das Kind reichen können.
- Die Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII steht als Hilfe zur Erziehung in einer anderen Familie im Gesetz zwischen:
der Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII – den Familien unterstützenden Hilfen der §§ 28 – 32 SGB VIII, die unter Aufrechterhaltung des Familienverbands in der eigenen Familie durchgeführt werden und der Heimerziehung gemäß § 34 SGB VIII sowie der ISE gemäß § 35 SGB VIII.
Zu Unrecht haben das Finanzamt und das Finanzgericht (FG) das Vorliegen einer Vollzeitpflege im Sinne des § 33 SGB VIII mit der Begründung verneint, die von der Klägerin in ihrem Familienhaushalt erbrachte Erziehungsleistung gegenüber dem Pflegekind sei -weil sie nach den abgeschlossenen Verträgen „als Erziehungsstelle“ tätig geworden sei- als „in einer (anderen) Einrichtung betreuten Wohnens“ im Sinne des § 34 SGB VIII erbracht anzusehen, für die die Steuerfreiheit nach § 3 Nummer 11 EStG nicht gelte.
Sonstige betreute Wohnformen im Sinne des § 34 SGB VIII sind nur gegeben, wenn sie als Einrichtung einen institutionalisierten Rahmen für die Betreuung bieten (Bayrischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 28. Mai 2014 12 ZB 14.154, Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe 2014, 341, m.w.N.). Eine nur angemietete Wohnung -und folglich die bloße Überlassung von Wohnraum wie zum Beispiel ein Zimmer im Haushalt der betreuenden Person entsprechend den Verhältnissen im Streitfall- genügt nicht. Denn unter „Einrichtung“ ist eine auf eine gewisse Dauer angelegte -hier fehlende- Verbindung von sächlichen und persönlichen Mitteln zu einem bestimmten Zweck unter der Verantwortung eines Trägers zu verstehen (Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 06. Mai 2010 26 K 6023/09, juris).
Nach dieser Rechtsprechung bestimmt sich die Beurteilung der Frage, ob es sich um eine Betreuung in einer Vollzeitpflegestelle nach § 33 SGB VIII oder in einem Heim oder in einer anderen Einrichtung betreuten Wohnens nach § 34 SGB VIII handelt, allein nach den tatsächlichen Verhältnissen der konkreten Unterbringung.
Dies gilt gleichermaßen auch für den Anwendungsbereich des § 3 Nummer 11 Satz 1 EStG, weil die Auslegung des Merkmals „unmittelbare Förderung der Erziehung“ nach der BFH-Rechtsprechung (vgl. BFH – Urteile in BFHE 141, 154, BStBl. II 1984, 571; in BFHE 161, 361, BStBl. II 1990, 1018) wie auch nach der daran anknüpfenden Verwaltungspraxis (vgl. BMF-Schreiben in BStBl. I 1990, 109 sowie in BStBl. I 2007, 824: Steuerfreiheit nach § 3 Nummer 11 EStG nur bei Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII) im Wesentlichen an der tatsächlichen Ausgestaltung der Pflegesituation orientiert ist.
Diese Orientierung der Anwendung des § 3 Nummer 11 EStG an den tatsächlichen Verhältnissen unterscheidet sich von den Voraussetzungen für den Kindergeldanspruch der Pflegekinder gemäß den §§ 32, 63 EStG, für den die sozialrechtliche Einordnung ihrer Wohnung als sonstige betreute Wohnform nach Maßgabe des § 34 SGB VIII nach der Rechtsprechung des BFH steuerrechtliche Tatbestandswirkung hat (vgl. BFH – Urteil vom 02. April 2009 III R 92/06, BFHE 224, 542, BStBl. II 2010, 345).
Quellennachweis:
– | § 3 Nummer 11 EStG (Steuerfrei) |
– | R 3.11 LStR (Steuerfrei sind) |
– | BFH – Urteil vom 05. November 2014, VIII R 9/12 https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE201550181/ |
– | Finanzgericht Düsseldorf Urt. v. 28.03.2019, Az.: 12 K 3393/18 E |
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