
Fall 1 – Sachverhalt
Da der Urlaub bevorsteht, bittet Mutter M ihre 16-jährige Tochter T, ihr einen „spannenden Abenteuerroman mit viel Action“ zu kaufen. T solle einfach die Klappentexte studieren und den richtigen auswählen. T wird bei Buchhändler B schnell fündig. Sie kauft das Buch zum Preis von 12,95 €, wobei sie den Angestellten A des B nicht darauf hinweist, dass sie das Buch für ihre Mutter erwerben will.
Liegt zwischen B und M ein Kaufvertrag über das Buch vor?
Fall 1 – Lösung
Wirksamer KV? |
Voraussetzung: 2 übereinstimmende WE (Angebot und Annahme). |
T und A sind sich einig, dass ein Kaufvertrag über 12,95 € zustande kommen soll (Kauf eines Buches). |
Problem: T kauft das Buch nicht für sich selbst und ist noch minderjährig (16 Jahre alt). |
Wirksamer Kaufvertrag nur, wenn T Stellvertreterin der M ist (nur dann Vertragsschluss zwischen B und M). |
1. | Zulässigkeit der Stellvertretung: | Ja, da kein höchstpersönliches Rechtsgeschäft. |
Abgabe einer eigenen Willenserklärung: | Ja, da T Entscheidungsspielraum bei der Auswahl des Buches hat. | |
T ist geschäftsfähig, zwar nur beschränkt aber dies ist unschädlich, da die Rechtsfolge nicht T selbst, sondern den Vertretenen trifft. | ||
2. | Erkennbares Handeln in fremdem Namen (Offenkundigkeit): | Nicht erforderlich, da Bargeschäft des Alltags. |
3. | Vertretungsmacht: | Rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht: M war daher wirksam durch T vertreten, die WE der T war ihr somit zurechenbar. |
4. | Problem – B handelt nicht selbst: | A ist aber Angestellter und somit als Stellvertreter des B tätig. |
Die Willenserklärungen der Tochter T und des Angestellten A wirken für die Mutter M und den Buchhändler B. | ||
5. | Ergebnis: | Es liegt ein wirksamer Kaufvertrag zwischen der Mutter M und dem Buchhändler B vor. |
Fall 2 – Sachverhalt
M beauftragt außerdem ihren 5-jährigen Sohn S bei Metzger V „4 rote Würste und 4 Grillsteaks“ für den Grillabend zu kaufen. Das Geld solle dieser wie üblich bis zu ihrem nächsten Einkauf, längstens 4 Wochen, „anschreiben“. S tut wie ihm aufgetragen und erhält die Ware. V vermerkt sich den Kaufpreis in Höhe von 9,50 €.
Kann der Metzger V von der Mutter M die Bezahlung der Ware verlangen?
Fall 2 – Lösung
Wirksamer KV? |
Hat Metzger V gegen die Mutter M Anspruch auf volle Kaufpreiszahlung (§ 433 Abs. 2 BGB)? |
Voraussetzung: 2 übereinstimmende WE (Angebot und Annahme). |
1. Angebot: | Mutter M hat nicht selbst gehandelt, sondern Sohn S könnte für Mutter M gehandelt haben. |
Problem: Sohn S ist erst 5 Jahre alt und somit geschäftsunfähig, kann also keine eigene WE abgeben und somit nicht Stellvertreter sein. | |
Sohn S ist aber rechtsfähig und kann somit Bote sein: Als Bote ist er weisungsgebunden und übermittelt die Willenserklärung der Mutter M an den Metzger V. | |
Die Mutter M hat eine Willenserklärung dadurch abgegeben, dass sie den Sohn S als Boten eingesetzt hat: Ihr Angebot ging Metzger V zu, als Sohn S ihm die Erklärung übermittelt hat. | |
Ergebnis: Wirksames Angebot | |
2. Annahme: | Metzger V gibt die Ware heraus und notiert sich den Kaufpreis: Einverständnis mit dem Angebot der Mutter M (= konkludente Annahme). |
Annahme wird erst wirksam mit Zugang bei Mutter M, also, wenn Sohn S der Mutter M die Ware übergibt. | |
Endergebnis: Metzger V hat gegen die Mutter M einen Zahlungsanspruch, sobald die Mutter M die Ware erhalten hat. Der Anspruch ist nach Ablauf von 4 Wochen durchsetzbar! |
Fall 3 – Sachverhalt
Vor der Abreise zu einer mehrwöchigen Kur bittet Kai seinen Freund Felix, ihm einen roten VW-Polo zu kaufen. Als Felix bei Anton, dem Autoverkäufer, unter Angabe der Wunschfarbe des Kai den Wagen kaufen will, erfährt er, dass die Lieferfrist für einen VW-Polo in der gewünschten Farbe 6 Monate beträgt. Allerdings hat Anton einen weißen Polo auf Lager. Kurz entschlossen kauft Felix deshalb im Namen von Kai den weißen Wagen. Als Kai von seiner Kur zurückkehrt, verweigert er die Abnahme und Bezahlung mit der Begründung, dass er ein weißes Auto nicht habe kaufen wollen.
Kann Anton den Kaufpreis verlangen? Von wem?
Fall 3 – Lösung
Wirksamer KV? |
Hat der Autoverkäufer A – gegen Kai und – gegen Felix einen Zahlungsanspruch auf volle Kaufpreiszahlung (§ 433 Abs. 2 BGB)? |
Voraussetzung: 2 übereinstimmende WE (Angebot und Annahme). |
Angebot: | Hat der Autoverkäufer A gegen Kai einen Zahlungsanspruch auf volle Kaufpreiszahlung (§ 433 Abs. 2 BGB)? | |
Kai selbst gibt keine eigene WE ab, könnte aber von Felix vertreten worden sein. | ||
A. | Zulässigkeit der Stellvertretung: Ja, kein höchstpersönliches Rechtsgeschäft. | |
B. | Abgabe einer eigenen WE: Felix hat Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Ausstattung, Preis … des Autos und darf somit eine eigene WE abgeben, was er dann auch macht. | |
C. | Erkennbares Handeln in fremdem Namen / Offenkundigkeitsprinzip: >Ist erforderlich, da kein Bargeschäft des Alltag, >Felix kauf das Auto im Namen von Kai. | |
D. | Vertretungsmacht: >Felix ist zum Kauf eines roten VW-Polos bevollmächtig, >Einzelvollmacht, keine Generalvollmacht, >Felix handelt somit beim Kauf des weißen Polos ohne Vertretungsmacht. | |
Ergebnis: >Vertrag zwischen Autoverkäufer A und Kai ist schwebend unwirksam. >Wirksamkeit des Vertrags hängt jetzt von der Genehmigung des Kai ab: Kai genehmigt nicht. >Vertrag zwischen Autoverkäufer A und Kai ist unwirksam. >Ergebnis: Autoverkäufer A hat gegen Kai keinen Zahlungsanspruch. |
Angebot: | Hat Autoverkäufer A gegen Felix Zahlungsanspruch auf volle Kaufpreiszahlung (§ 433 Abs. 2 BGB)? | |
A. | Handeln eines Vertreters ohne Vertretungsmacht (Einseitiges Rechtsgeschäft): s. o.: Felix hatte keine Vertretungsmacht. | |
B. | Keine Genehmigung durch den Vertretenen: Kai hat nicht genehmigt. | |
C. | Kein Haftungsausschluss § 179 Abs. 3 BGB: >Autoverkäufer A darf den Mangel der Vertretungsmacht nicht gekannt haben. >Möglicherweise wusste der Autoverkäufer A, dass Felix nur einen roten Polo kaufen darf. >Felix darf nicht beschränkt geschäftsfähig gewesen sein. | |
Ergebnis: Ein Zahlungsanspruch von Autoverkäufer A gegen Felix besteht, wenn der Autoverkäufer A nicht wusste, dass Felix nur rote Polos kaufen darf. |
Fall 4 – Sachverhalt
Anna ist Verkäuferin im Buchladen des Bernd. Sie ist zum Verkauf befugt, aber nicht zum Einkauf. Dennoch bestellt sie bei Vincent unter Verwendung des Briefkopfes des Buchladens Bücher für die juristische Abteilung, die in zwei Lieferungen erbracht werden sollen. Bernd, der sich in dieser Abteilung nicht besonders kümmert, bemerkt davon nichts, obwohl die Rechnung für die erste Lieferung beglichen wird. Der Sachverhalt klärt sich erst auf, als die Bücher nicht verkauft werden können.
Muss Bernd die zweite Lieferung bezahlen?
Fall 4 – Lösung
Wirksamer KV? |
Hat Vincent gegen den Buchladen einen Zahlungsanspruch auf volle Kaufpreiszahlung (§ 433 Abs. 2 BGB)? |
Voraussetzung: 2 übereinstimmende WE (Angebot und Annahme) |
Angebot: | Buchladen Bernd selbst gibt keine eigene WE ab. | |
Verkäuferin Anna könnte den Buchladen Bernd aber wirksam vertreten haben. | ||
1. | Zulässigkeit der Stellvertretung: Ja, kein höchstpersönliches Rechtsgeschäft. | |
2. | Abgabe einer eigenen WE: >Anna gibt eine eigene WE ab. >Für Vincent sah es so aus, als ob Anna hierzu bevollmächtigt sei. >Es war keine Weisungsgebundenheit zu erkennen. | |
3. | Erkennbares Handeln in fremdem Namen / Offenkundigkeitsprinzip: >Ist erforderlich, da kein Bargeschäft des Alltags. >Anna verwendet den Briefkopf des Buchladens Bernd und bestellt somit nicht für sich selbst. | |
4. | Vertretungsmacht: >Anna ist nur zum Verkauf nicht zum Einkauf bevollmächtig. >Grundsätzlich keine Vertretungsmacht, da Buchladen Bernd aber die erste Lieferung zahlt erweckt dies den Eindruck, als wäre er hiermit einverstanden. >Buchladen Bernd hätte schon bei der ersten Lieferung erkennen können, dass Anna für ihn gehandelt hat. | |
Anscheinsvollmacht | ||
Vincent ist schutzwürdig, da er den Mangel der Vertretungsmacht nicht kannte und auch nicht erkennen konnte. | ||
Wirksames Angebot des Buchladens Bernd. | ||
Annahme: | Konkludent durch Lieferung. | |
Ergebnis: | Vincent hat gegen Buchladen Bernd einen Zahlungsanspruch. |
Fall 5 – Sachverhalt
Kaufmann Alex erteilt seinem Angestellten Manfred Handlungsvollmacht. Die Handlungsvollmacht ist in den §§ 54 ff. HGB geregelt. Es stellt sich heraus, dass Kaufmann Alex bei der Erteilung der Handlungsvollmacht geschäftsunfähig war.
Ist die erteilte Handlungsvollmacht wirksam?
Fall 5 – Lösung
Gemäß § 105 Abs. 1 BGB ist die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen nichtig. Kaufmann Alex konnte seinem Angestellten Manfred nicht wirksam Handlungsvollmacht erteilen.
Fall 6 – Sachverhalt
Du beauftragst Deinen Freund Franz ein Buch aus der Buchhandlung abzuholen, welches Du dort bestellt hast. Du kannst von Deinem Freund sodann nach § 667 BGB die Herausgabe des Buches verlangen, und Dein Freund kann von Dir nach § 670 BGB Aufwendungsersatz, also die Erstattung des Kaufpreises für das Buch fordern.
Wer muss zuerst leisten?
Fall 6 – Lösung
Da es sich hier um einen Auftrag handelt, liegt kein gegenseitiger Vertrag vor. Gemäß §§ 273 Abs. 1 und 274 Abs. 1 BGB müssen die Leistungen gleichzeitig erfolgen.
Quellennachweis
https://www.studocu.com/de/document/duale-hochschule-baden-wurttemberg/recht-i-burgerliches-recht/falle-zur-stellvertretung-mit-losungen/7310832
Grundlagen des Zivilrechts – Annahme
HTTPS://STE-U-ERR-ECHT.COM/ANNAHME/
Grundlagen des Zivilrechts – Willenserklärung
HTTPS://STE-U-ERR-ECHT.COM/WILLENSERKLAERUNG/
Grundlagen des Zivilrechts – Geschäftsfähigkeit
HTTPS://STE-U-ERR-ECHT.COM/ZIVILRECHT/
Übungsaufgaben – Vertretungsmacht
https://ste-u-err-echt.com/uebung-12/
Grundlagen des Zivilrechts – Die Stellvertretung
https://ste-u-err-echt.com/stellvertretung/
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