Übungsaufgabe – Der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte
Spread the love


Übungsaufgabe


Sachverhalt

Grundstückseigentümer E lässt vom Sachverständigen S über sein Grundstück ein Verkehrswertgutachten anfertigen.

Der Gutachter stellt fest, dass der Verkehrswert des Grundstücks 500.000 € beträgt. Der Grundstückseigentümer, der ursprünglich sein Grundstück verkaufen wollte und dieses Verkehrswertgutachten seinen Käufern vorgelegt hat, wendet sich nun, nachdem sich seine Verkaufsabsichten nicht realisieren lassen , an die Bank.

Die Bank gibt daraufhin dem Grundstückseigentümer ein Darlehen über 400.000 €, welches er durch eine Hypothek an seinem Grundstück sichert (die Hypothek gibt der Bank, wenn E das Darlehen nicht zurückzahlt, die Möglichkeit, das Grundstück zu verwerten und sich aus dem Erlös zu befriedigen). Das Darlehen wurde von der Bank an E nur deshalb ausgezahlt, weil die Bank aufgrund des Sachverständigengutachtens davon ausging, durch das Grundstück entsprechend gesichert zu sein.

Nachdem E zahlungsunfähig geworden ist, ergibt die Verwertung des Grundstücks nur 200.000 €. Dies deshalb, weil das Gutachten grob falsch war. Die Bank verlangt vom Gutachter S 200.000 € Schadensersatz nach §§ 634 Nr. 4, 280 (1) BGB.



Aufgabenstellung

Löse den Fall systematisch als Gutachten.



Lösung

I. Anspruch der Bank gegen Gutachter S gemäß §§ 280 (1), 634 Nr. 4 BGB

Der Bank könnte gegenüber dem Gutachter S ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 200.000 € gemäß §§ 280 (1), 634 Nr. 4 BGB zustehen.



A. Anspruch entstanden

Der Anspruch müsste zunächst entstanden sein.


1. Schuldverhältnis

Zwischen dem Sachverständigen und dem Grundstückseigentümer wurde ein Werkvertrag gemäß § 631 BGB geschlossen. Das Verkehrswertgutachten ist eine Werkleistung nach § 631 BGB weshalb ein Schuldverhältnis zwischen dem Sachverständigen und dem Grundstückseigentümer vorliegt.


2. Objektive Pflichtverletzung

Der Sachverständige S müsste eine objektive Pflichtverletzung begangen haben. Pflichtverletzung ist jede objektive Abweichung des Verhaltens einer Partei vom geschuldeten Pflichtenprogramm. Nach § 633 (1) BGB hat der Unternehmer S dem Besteller das Werk frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.

Der Gutachter stellt den Verkehrswert des Grundstücks mit 500.000 € fest. Daraufhin gibt die Bank dem Grundstückseigentümer ein Darlehen in Höhe von 400.000 €, welches er durch eine Hypothek an seinem Grundstück sichert. Nachdem er das Darlehen nicht zurückzahlen kann, verwertet die Bank das Grundstück, erhält aber nur 200.000 € Verkaufserlös. Das Gutachten war grob falsch, da es einen Verkehrswert von 500.000 € feststellte.

Damit blieb der Sachverständige hinter seinem Pflichtenprogramm zurück und hat folglich eine objektive Pflichtverletzung begangen.


3. Schutzwirkung für die Bank

Der Vertrag zwischen dem Gutachter und dem Grundstückseigentümer muss ein Vertrag mit Schutzwirkung für die Bank sein.

Ein Vertrag zugunsten Dritter § 328 BGB liegt dann vor, wenn eine dritte Person (hier die Bank), die nicht Vertragspartei ist, die vertragliche Leistung erhalten soll.

Bei sonstigen Vermögensgegenständen, die aufgrund einer falschen Auskunft entstehen (hier falsches Gutachten) wird im Rahmen der Vertragsauslegung gefragt, ob der Dritte (die Bank) stillschweigend in den Schutzbereich mit einbezogen wurden. Dies wird angenommen wenn:

A. Der Schuldner (Sachverständiger) hat kraft Stellung besonderes Vertrauen in Anspruch genommen, nämlich dass des Grundstückseigentümers und das Vertrauen der Bank.

B. Die Leistung des Sachverständigen wurde auch zur Grundlage von erheblichen wirtschaftlichen Entscheidungen Dritter. Die Bank hat dem Grundstückseigentümer aufgrund des Gutachtens ein Darlehen über 400.000 € gewährt.

C. Der Sachverständige hat auch erkannt, dass das Gutachten nicht nur für den Vertragspartner (Grundstückseigentümer), sondern auch für dritte Personen bestimmt war. Ein Verkehrsgutachten über ein Grundstück wird typischerweise dafür verwendet, Käufern oder Kreditgebern vorgelegt zu werden.

Der Sachverständige hat nicht nur gegenüber seiner Vertragspartei besondere vertragliche Sorgfaltspflichten, sondern auch gegenüber diesen dritten Personen. Es liegt ein Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte vor.


4. Fristsetzung oder Entbehrlichkeit der Fristsetzung

Fraglich ist, ob eine Fristsetzung zur Nacherfüllung nach § 634 Nr. 4 BGB i. V. m. §§ 280 (1), (3), 281 BGB erforderlich ist.

Bei Mangelschäden gemäß §§ 634 Nr. 4, 280 (1) BGB kann der Käufer Schäden ersetzt verlangen, ohne dass zusätzliche Voraussetzungen nach § 280 (3) BGB vorliegen müssen. Mangelfolgeschäden sind Schäden, die infolge der Mangelhaftigkeit der Werkleistung an sonstigen Rechtsgütern des Bestellers auftreten. Ein Schaden an sonstigen Rechtsgütern kann durch eine ordnungsgemäße Nacherfüllung nicht mehr beseitigt werden. Daher ist eine Fristsetzung sinnlos.

Eine Nacherfüllung ist nicht möglich. Das Gutachten wurde erstellt, das Darlehen gewährt und der Verkaufserlös des Grundstücks vereinnahmt.


5. Vertretenmüssen

Der Gutachter muss die Pflichtverletzung zu vertreten haben, § 280 (1) S. 2 BGB. Das Vertretenmüssen des Gutachters wird vermutet gemäß § 280 (1) S. 2 BGB. Ein Entlastungsbeweis für den Sachverständigen ist nicht ersichtlich. Er hat daher die Pflichtverletzung zu vertreten.


6. Schaden

Der Bank und dem Grundstückseigentümer ist ein Schaden durch den Gutachter entstanden.


7. Zwischenergebnis

Der Anspruch der Bank gegen den Sachverständigen ist gemäß § 280 (1), § 634 Nr. 4 BGB entstanden.



B. Anspruch nicht erloschen und durchsetzbar

Der Anspruch der Bank gegen den Sachverständigen ist nicht erloschen und durchsetzbar.



C. Ergebnis

Die Bank kann vom Sachverständigen Schadensersatz in Höhe des Kreditausfalls von 200.000 € verlangen.




    Quellennachweis

    https://www.jura.uni-wuerzburg.de/fileadmin/02120030/SS_10_Vertragliche_Schuldverhaeltnisse/Fall_47_-_Loesung.pdf


    Übungsaufgabe – Schadensersatz

    https://ste-u-err-echt.com/uebung-21/

    † Schutzwirkungen eines Gutachtenauftrags zur Grundstückswertermittlung – BGH, Urteil vom 20. 4. 2004 – X ZR 250/02 (OLG Brandenburg)

    https://ste-u-err-echt.com/bgh-2/

    Kaufvertrag

    https://ste-u-err-echt.com/kaufvertrag/

    Grundlagen des Zivilrechts – Willenserklärung

    https://ste-u-err-echt.com/willenserklaerung/

    Das Gutachten

    https://ste-u-err-echt.com/gutachten/
    Übungsaufgabe – Der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte

    Spread the love

    Liked this post? Follow this blog to get more. 

    tax

    Herzlich Willkommen auf meiner Website / meinem Blog Steuerrecht. Ich bin ausgebildete Finanzwirtin und arbeite in Düren als selbständige Beratungsstellenleiterin für einen der größten Lohnsteuerhilfevereine Deutschlands. Mit meiner Website / meinem Blog möchte ich euch bei steuerlichen Fragen beratend zur Seite stehen und auch informieren. Viel Spaß beim Stöbern. Bleibt gesund.

    Wenn euch der Beitrag gefallen hat, dann hinterlasst mir doch einfach ein positives Feedback. Vielen Dank und liebe Grüße

    %d Bloggern gefällt das: