Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 26.01.1993 – 4 U 199/92
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OLG Hamm, 
Urteil vom 26.01.1993 – 
4 U 199/92


Beitreibungsverbot bei anfechtbarem Vertrag


UWG §§ 1, 3; BGB §§ 119, 123

1. Der Verleger eines Branchen-Anzeigenbuches verstößt gegen §§ 1,3 UWG, wenn er sich Anzeigen-Druckaufträge in der Weise erteilen lässt, dass er ein wie eine Rechnung aufgemachtes Schreiben (mit beigefügtem ausgefülltem Überweisungsträger) versendet, nach dessen Fließtext der Empfänger durch Überweisung des “Rechnungsbetrages” den Druckauftrag erteilt. Die so zustande gekommenen Verträge sind nicht ohne weiteres nichtig, sondern nur anfechtbar, §§ 119, 123 BGB.

2. Jedoch kann dem Verleger aus §§ 1, 3, 13 UWG verboten werden, Forderungen anzumahnen und/oder beizutreiben versuchen, die darauf beruhen, dass die Adressaten Zahlungen auf das zu 1. genannte Formular geleistet haben, es sei denn, der Verleger weist nach, dass die Kunden nicht irregeführt worden sind oder trotz Irreführung am Vertrag festhalten wollen.


Tatbestand


Die Beklagte betreibt einen Verlag, der unter anderem ein Branchenverzeichnis herausgibt. Um sich Anzeigenaufträge dafür zu verschaffen, versandte sie 1991 mittels eines Formulars FW 91040 Schreiben mit beigefügtem ausgefülltem Überweisungsträger. Der Kläger sieht darin einen Wettbewerbsverstoß, weil der Eindruck einer Rechnungszusendung erweckt werde. Auf seine Abmahnung vom 15.07.1991 übersandte die Beklagte ihm eine Unterwerfungserklärung, die sie am 18.07.1991 gegenüber dem D-Verband abgegeben und in der sie sich strafbewehrt verpflichtet hatte, es zu unterlassen, die Offerte mit der FW-Nr. 91040 zu versenden. Einige der Adressaten hatten 1991 die geforderten Beträge überwiesen. Die Beklagte verlangt von diesen nun unter Berufung auf ihre Angebotsschreiben die Folgebeträge für 1992. Der Kläger hat beantragt, der Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Forderungen anzumahnen und/oder sonst beizutreiben zu versuchen, die darauf beruhen, dass die Adressaten Zahlungen auf ein Formular mit der Index-Nr. FW 91040 geleistet haben.

Das Landesgericht (LG) hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte überwiegend Erfolg.


Entscheidungsgründe


Der Unterlassungsanspruch ergibt sich aus § 1 UWG. Zum Abschluss der Verträge zwischen der Beklagten und ihren Kunden ist es dadurch gekommen, dass letztere nach Erhalt des Formularschreibens FW 91040 den angegebenen Betrag an die Beklagte überwiesen, was nach dem Inhalt des Schreibens als Auftragserteilung galt. Dieses Vorgehen der Beklagten stellte einen Verstoß gegen die §§ 1, 3 UWG dar. Durch die Aufmachung des Schreibens, insbesondere die Verwendung einer Auftragsnummer für den jeweiligen Empfänger, die Aufschlüsselung des Preises und die Beifügung eines Überweisungsträgers, konnte ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Lektüre zu der irrigen Ansicht gelangen, es handele sich nicht um eine Rechnung für einen bereits geschlossenen Vertrag mit der weiteren Folge, dass die Schreiben in den Betrieben auch als Rechnungen behandelt wurden. Das Unterwerfungsschreiben der Beklagten vom 18.07.1991 gegenüber dem D-Verband zeigt im übrigen, dass die Beklagte insoweit die Wettbewerbswidrigkeit ihres Verhaltens selbst nicht ernsthaft bezweifelt.

Der Versuch der Beklagten, die Forderungen aus den Verträgen, die auf diese Weise zustande gekommen sind, mittels Mahnung oder auf sonstige Weise beizutreiben, verstößt – mit der obigen Einschränkung – ebenfalls gegen § 1 UWG. Die Beklagte muss sich darüber im klaren sein, dass zumindest ein Teil derjenigen, die den Rechnungsbetrag überwiesen haben, gar keinen Vertrag schließen wollten, sondern aus den oben dargelegten Gründen irrig annahmen, es handele sich nur um eine Rechnung für einen bereits geschlossenen Vertrag. Das Vorgehen der Beklagten war offensichtlich sogar darauf angelegt, auf diese Weise Vertragsschlüsse zu bewirken. Dann verstößt aber nicht nur der Abschluss, sondern auch die Ausnutzung derartiger Verträge gegen die guten Sitten im Wettbewerb (ebenso OLG Köln, WRP 1975, 170; OLG Frankfurt, WRP 1978, 826). Es wäre inkonsequent und unverständlich, den Abschluss zu verbieten und es gleichzeitig zuzulassen, dass die Beklagte die Früchte solcher Verträge erntet.

Der Senat stimmt mit dem LG darin überein, dass die abgeschlossenen Verträge, auch soweit sie eine Folge der Irreführung sind, nicht ohne weiteres nichtig, sondern nur anfechtbar sind (§§ 119 (1), 123 BGB). Darauf kommt es aber nicht entscheidend an. Die §§ 119, 123 BGB regeln – ähnlich wie § 13a UWG – nur die Frage, unter welchen Voraussetzungen sich der Einzelne von dem eingegangenen Vertrag lösen kann. Vorliegend geht es jedoch darum, im Interesse der Allgemeinheit an einem lauteren Wettbewerb eine Aktion zu verbieten, die darauf angelegt ist, durch Irreführung wirtschaftliche Vorteile zu erlangen. Dass dadurch mittelbar auch das rechtliche Schicksal von Einzelverträgen beeinflusst wird, ist hinzunehmen. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob es sich wegen dieser Konsequenz noch um einen reinen Unterlassungsanspruch oder ganz oder teilweise schon um einen Beseitigungsanspruch handelt, weil nach nahezu einhelliger Ansicht § 1 UWG auch einen Beseitigungsanspruch enthält und dieser ebenfalls den Verbänden i. S. des § 13 (2) UWG zusteht (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 6. Aufl., 23. Kapitel, Rdnr. 2; Erdmann, in: Großkommentar z. UWG, § 13 Rdnr. 22; jeweils m. w. Nachw.).

Die obigen Ausführungen gelten jedoch nicht uneingeschränkt. Nicht alle Unternehmen, die den Rechnungsbetrag überwiesen haben, werden dazu durch die Irreführung veranlasst worden sein. Vielmehr ist es durchaus möglich, dass sich einige der angeschriebenen Unternehmen bewusst zum Abschluss eines Vertrages mit der Beklagten entschlossen haben oder am Vertrag festhalten wollen, auch nachdem sie über die vorausgegangene Irreführung aufgeklärt worden sind. In solchen Fällen ist es der Beklagten nicht verwehrt, die Forderungen aus den Verträgen geltend zu machen, wobei sie aber in geeigneter Weise die dargelegten Voraussetzungen beweisen muss, weil sie sich dabei auf für sie günstige Ausnahmetatbestände beruft.

(Mitgeteilt von Richter am OLG U. Boesenberg, Hamm)


Grundlagen des Zivilrechts – Urteile zu § 119 BGB

https://ste-u-err-echt.com/urteile-3/

Grundlagen des Zivilrechts – Willenserklärung

HTTPS://STE-U-ERR-ECHT.COM/WILLENSERKLAERUNG/

Grundlagen des Zivilrechts – Anfechtung


Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 26.01.1993 – 4 U 199/92

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